Nonaka, Ikujiro / Takeuchi, Hirotaka: Die Organisation des Wissens

Nonaka, Ikujiro / Takeuchi, Hirotaka: Die Organisation des Wissens, Campus Verlag Frankfurt/M, New York 1997 (englisch: The Knowledge Creating Company 1995), ISBN 3-593-35643-0. 299 Seiten.

Themen: Hypertextorganisation, Knowledge Management, Wissen, Wissensorganisation.

Abstract
Aus dem doppelten Element des impliziten und expliziten Wissens entwickeln die japanischen Wirtschaftswissenschaftler eine empirisch untermauerte Theorie der Wissenserzeugung im Unternehmen.

Inhaltsverzeichnis
1 Einführung in das Unternehmenswissen — S. 13
2 Wissen und Management — S. 32
3 Theorie der Wissensschaffung im Unternehmen — S. 68
4 Wissensbeschaffung in der Praxis — S. 109
5 „Middle-up-down-Management“ der Wissensschaffung — S. 141
6 Eine neue Organisationsstruktur — S. 181
7 Weltweite Wissensschaffung im Unternehmen — S. 222
8 Praktische und theoretische Konsequenzen — S. 253

Bewertung
Die wohl beste Arbeit der vergangenen Jahre zum Wissensmanagement.

Inhalt

1 Einführung in das Unternehmenswissen
Die Einführung vermittelt eine Ahnung von den ost-westlichen Geisteswelten, in denen Ikujiro Nonaka und Hirotaka Takeuchi — sie bieten auch „Jiro“ und „Hiro“ an, ihre Spitznamen als einstige Studenten in Berkeley — zu Hause sind. Warum, fragen sie eingangs, hat man sich im Westen über die (erneut) große Erfolgsperiode japanischer Unternehmen so gewundert, und warum waren die westlichen Erklärungen dafür so unzureichend? Weil die japanischen Neuerungen einer spezifisch östlichen Denkweise entsprangen, die aus westlicher Tradition nur schwer nachzuvollziehen ist.
Im Kern ging und geht es um die Schaffung von Wissen, das in einem bestimmten Prozess zustande kommt: Wissen wird aus externen Quellen in die Organisation hereingeholt und, indem es in ihr angeeignet wird, verwandelt; das verwandelte Wissen wird dann in Form neuer Produkte, Dienstleistungen oder Systeme wieder nach außen getragen. (S. 16)
Damit ist allerdings noch nicht gesagt, was hier mit ‚Wissen‘ überhaupt gemeint ist. Entscheidend ist für Nonaka und Takeuchi die Verschiedenartigkeit der expliziten Art des Wissens und der impliziten Art. Explizites Wissen ist alles dasjenige, das in irgendwelchen formalen Systemen, etwa einer Logik oder Grammatik, dargestellt und von daher auch von Computern im Prinzip problemlos bearbeitet werden kann. Implizites Wissen demgegenüber ist in persönlicher Erfahrung beheimatet und wird sehr gerne in Anekdoten weitergetragen. Implizites Wissen enthält nach Nonaka/Takeuchi eine technische Dimension, die sich etwa mit dem Begriff des Know how deckt; wichtig ist für sie auch eine kognitive Dimension, die aus tief verwurzelten mentalen Modellen bzw. Vorstellungen besteht. In ihrer Hemisphäre, betonen die Japaner, wird großer Wert auf implizites Wissen gelegt, in der westlichen Hemisphäre auf explizites Wissen.
Zum Erfolg japanischer Unternehmen gehört für sie die Fähigkeit, implizites Wissen in explizites zu verwandeln. Als Beispiel führen sie Honda an, speziell die Geschichte des durchschlagenden Erfolgs mit dem Honda City: Die Unternehmensführung gab einer neuen, relativ jungen Crew von Ingenieuren und Designern den (wie die Autoren sagen: sehr genauen) Kurs vor, ein von den bisherigen Honda-Produkten möglichst verschiedenes und dabei preiswertes (nicht biliges) Auto zu entwerfen. Vom Leiter des Projektteams wurde die Vorgabe in das Motto einer „Automobilevolution“ umgemünzt, später in die Metaphorik „Mensch-Maximum — Maschine-Minimum“. Daraus wurde ein Kugelmodell von Auto, das den Insassen ein Optimum an Platz ließ und der Umgebung ein Minimum an Platz nahm, und hieraus der „Tall boy“ als neue Gattung Auto.
Metaphern, Analogien (die wesentlich differenzierter sind) und die Phantasie von Einzelnen sind für Nonaka/Takeuchi charakteristische Momente in einem Verwandlungsprozess von implizitem Wissen in explizites Wissen, den beiden elementaren Kategorien in ihrem Denken, denen auch noch das nächste und übernächste Kapitel im Sinne einer Grundlegung gewidmet sind. „Eilige Praktiker“, merken sie freundlich an, können „vielleicht“ auch darüber hinwegspringen.

2 Wissen und Management
Im zweiten Kapitel geben die Autoren einen Abriss der westlichen Philosophiegeschichte unter der Frage, was Wissen ist. Dieser stellen sie dann die Andersartigkeit japanischer Wissenstradition komplementär gegenüber. Dann folgt noch ein Blick auf das, was im ökonomischen Denken unter Wissen verstanden wird.
Platon gilt ihnen als relativ umfassender Erkenntnistheoretiker, der Wissen als durch Erklärung begründete richtige Vorstellung auffasste; in diesem rationalistischen Ansatz ist das Erkennen von Urformen (Ideen) mittels des reinen Gedankens höchstes Ideal. Aristoteles hat diesen Ansatzpunkt verworfen und die Sinneswahrnehmungen zu den alleinigen Quellen, aus denen Wissen geschöpft werden kann, erklärt.
Descartes griff Platons Ansatz wieder auf und suchte Wissen als dasjenige zu fassen, ‚woran es keinen Zweifel gibt‘; diese Zweifellosigkeit fand er allein im Selbsterkennen des denkenden Subjekts, das den letztlich unkennbaren äußeren Objekten entgegengestellt wurde (kartesianischer Dualismus). Locke als Kritiker Descartes‘ postulierte demgegenüber die Erkennbarkeit der Objekte durch zwei Arten der Erfahrung, den Sinneswahrnehmungen und der Reflexion.
Als Versuche zur Synthese der gegensätzlichen rationalistischen und empiristischen Stömungen sehen Nonaka/Takeuchi die Bemühungen von Kant, Hegel und Marx. Kant mit einem Verständnis des Wissens aus dem Zusammenwirken von logischem Denken und Sinneswahrnehmungen; Hegel mit der Synthese des Subjekt -Objekt-Gegensatzes im Selbstbewusstsein; Marx mit einem gleichfalls dialektischen, aber auf Veränderung der Welt abzielenden Erkenntnisprozess.
Im 20. Jahrhundert gibt es für die japanischen Autoren weitere Versuche, die Subjekt-Objekt-Trennung aufzuheben. Durch Husserl wird für das Wissen die Bedeutung unmittelbarer, bewusster Erfahrung herausgestellt; von Heidegger wird das Wissen auf das Handeln bezogen; mit Sartre wird die Intention als Brücke vom einen zum anderen herausgestellt; für Wittgenstein (den späten W.) wird Sprache zum Hauptmedium des Wissens in einem Spiel zwischen Personen, die sich im Kommunizieren verändern; bei Dewey, dem amerikanischen Pragmatiker, erfüllt sich ideelles Wissen im Handeln. (S. 32 – 40)

Im Unterschied zu dieser erkenntnistheoretischen Tradition in Europa und Amerika gibt es in Japan einen solchen in allgemeiner Form explizierten Kanon nicht. Was im Westen typischerweise als Getrenntes erscheint, ist in Japan als Einheit gedacht, vor allem — wie Nonaka/Takeuchi ausführen — (a) die Einheit von Mensch und Natur, (b) Körper und Geist, (c) ich und anderer, existierend in verstreuten Äußerungen und unmittelbar weitergegeben Einzeltraditionen.
(zu a) Die Wahrnehmungen sind auf subtile Veränderungen in der Natur gerichtet, die Sprache lebt von Bildern und entsprechend ist das Denken visuell ausgerichtet; die Bilder erscheinen nicht als ‚hergeholte‘ Metaphern, sondern ganz real, weil sie beim Sprechen im Geist präsent sind. Die Zeit stellt man sich eher rund denn linear bzw. sequentiell vor. Die Raumauffassung ist nicht durch feste Standpunkte bestimmt, insofern sind auch Rückschlüsse auf die Position eines Raumgestalters unbedeutend.
(zu b) Als „Einheit von Körper und Geist“ ist dieses Ganze von einem der mittelalterlichen Begründer des Zen bezeichnet worden. Von hier ging ein Einfluss auch hin zur Bildung der Samurai, die durch körperliches Training Wissen (Weisheit) suchten. Nichts ist in dieser japanischen Tradition ‚gewusst‘, wenn es nicht in den persönlichen Charakter eingegangen ist. Nishida, ein japanischer Philosoph an der Wende zum 20. Jahrhundert, lehrte die „reine Erfahrung“: das Erkennen der Realität (statt durch Reflexion) in der „Selbstunmittelbarkeit“. In
der Schulung, wie sie im Zen gepflegt wird, steht nicht die Logik im Vordergrund, sondern der Umgang mit Paradoxien, für die eine praktische Lösung zu finden ist.
(zu c) Während die Existenz des Einzelnen in der Gemeinschaft im Westen von den beiden Japanern als atomistisch und mechanistisch (strikte Trennung der Verantwortlichkeiten in einem Funktionszusammenhang) angesehen wird, bezeichnen sie dieses Zusammenwirken in ihrem Land als „kollektiv und organisch“. Die Nicht-Akzentuierung der Subjekte zeige sich auch in ihrer Sprache, in der die (grammatischen) Subjekte keinerlei Einfluss auf die Verben haben. Die Nicht-Herausgehobenheit der Subjekte bedeute allerdings auch, dass es Japanern schwer fällt, eigene Gedanken und Gefühle als Individuen zu äußern. Nicht für die Grenzen zwischen ‚ich und anderen‘ sei der Blick in Japan geschärft, sondern für die zarten Übergänge, in denen zusammenwirkende Organismen sich wandeln. (S. 40 – 45)

Ein Blick noch auf ‚Wissen‘ im Denken von Ökonomen: Marshall als Vorläufer der neo-klassischen Ökonomik war den Autoren zufolge einer der ersten (1965), die Wissen und eine das Wissen unterstützende Organisation als bedeutenden Kapitalfaktor angesehen haben. In anderer Weise haben auch die Österreicher von Hayek und Schumpeter dem Wissen öko-nomische Bedeutung zugemessen, mit Blick auf besonderes Wissen von Einzelunternehmen; Hayek hatte bereits ein Auge für implizites, kontextspezifisches Wissen (Kenntnis bestimmter zeitlicher und räumlicher Umstände, in denen Unternehmen agieren), Schumpeter dachte vor allem an die Kombination von Wissenselementen als Impulsgeber für neue Entwicklungen — wie Nonaka/Takeuchi hier anmerken, eine von mehreren Formen der Generierung von Wissen. Zu den frühen Aufmerksamen, was die ökonomische Bedeutung des Wissens angeht, gehört auch Penrose; sie unterstrich die Bedeutung des Planens für Einzelunternehmen, wobei bei ihr das Wissen in Gestalt von (Zukunfts-) Bildern bzw. mentalen Modellen für das Unternehmen herausgestellt ist.
Speziell auf Management- und Organisationstheorien ausgerichtet, wird das Denken noch einiger weiterer Ökonomen beleuchtet. Viele westliche Wirtschaftswissenschaftler, dies ist für Nonaka/Takeuchi auffällig, trennen in ihrem Denken — im Grunde in der Nachfolge Descartes‘ — das ökonomische Wissen (als habe dieses ein Eigenleben) vom ökonomischen Subjekt. Dies gelte besonders für die sogenannte wissenschaftliche Linie (Taylor und Nachfolger), zu der es allerdings in der sogenannten humanistischen Linie (Mayo und Nachfolger) eine Gegenströmung gab. Taylor hatte mit analytischen Untersuchungen zur Rationalisierung von Bewegungsbbläufen, die als Betriebsführungsinstrument in die Hände des Managements gelegt wurden, wissenschaftliche Erkenntnisse in den Produktionsprozess gebracht; die Urteile der Arbeiter dazu und deren Erfahrungen, stellen Nonaka/Takeuchi fest, stellten jedoch keinen Bestandteil dieses Wissens dar. Von dieser Seite setzten Mayo und seine Mitarbeiter an, die im berühmten Hawthorne-Experiment zeigen konnten, dass Respekt und Zuwendung ein Klima für Produktivitätssteigerung schaffen. Als Versuch einer Synthese der beiden Richtungen sehen die japanischen Autoren den Organisationsexperten Barnard; auch wenn er keine spezielle Wissenskonzeption hatte, gehöre in seinem Verständnis nicht-sprachliches Verhalten (das nach seiner Meinung der Analyse nicht zugänglich ist) zum höchst Wissenswerten. Anschließend an Barnard ging Simon den Fragen nach, wie in Unternehmen Probleme gelöst und Entscheidungen getroffen werden; mit dem Konzept der „begrenzten Rationalität“ kam er zu der Auffassung, dass Menschen im Betrieb gleichsam als Informationsverarbeitungssysteme handeln, die durch Sinnesorgane aus den kursierenden Informationen „Bedeutungsstrukturen“ gewinnen, die sie entweder abspeichern oder als Entscheidungshilfen benutzen. Erneute Versuche zur Versöhnung des ‚Wissenschafts‘- und des ‚Humanismus‘-Lagers gab es seit Mitte der 1980er Jahre. Vor allem wird hier Drucker genannt, der in seinem letzten Buch („Die postkapitalistische Gesellschaft“, 1993) die These vertrat, dass die Kapitalfaktoren in den Hintergrund rücken und Wissen (die Tätigkeit von „Wissensarbeitern“ oder „Geistesarbeitern“) die maßgebliche Ressource wird. Außerdem werden Denker genannt, die Akzente auf das Lernen legen, so Dodgson mit seinem Konzept des „Organisational Learning“ und Senge , der eine Reihe von Vorschlägen zum Abbau von „Lernbehinderungen“ in Unternehmen machte. Zum Schluss wird auf einen neuen thematischen Zweig verwiesen, in dem Wissen in Gestalt von Fähigkeiten und (Kern-) Kompetenzen diskutiert wird; stellvertretend werden Prahalad/Hamel und Stalk/Evans/Schulman genannt. So sehr Nonaka und Takeuchi der Wichtigkeit dieser Komponenten zustimmen, bemerken sie doch kritisch, dass in jenem Zweig noch nichts dazu ausgearbeitet ist, wie Fähigkeiten oder Kompetenzen in einer Organisation a u f g e b a u t werden. (S. 45 – 67)

Zwischenbemerkung: Für Nonaka und Takeuchi war die Auseinandersetzung mit der ‚Geschichte des Wissens‘ offenbar von großer Bedeutung. Denn das hieraus Gelernte erscheint wieder in der hochintegrativen Theorie der Wissensschaffung, die im nächsten Kapitel ausgearbeitet ist. Was Theorie und Praxis angeht, halten es die Autoren mit dem Satz von Kurt Lewin, wonach es „nichts Praktischeres als eine gute Theorie“ gibt.

3 Theorie der Wissensschaffung im Unternehmen
Information, führen die Autoren in der Einleitung zu diesem Kapitel aus, ist Bestandteil von Wissen. Doch Wissen ist wesentlich mehr und hat eine andere Qualität. Es sei strenggenommen nur von Einzelpersonen erzeugbar und drücke (a) eine Haltung aus (Vorstellungen und Engagement sind involviert), sei (b) auf Handeln ausgerichtet (zweckgerichtet) und habe (c) Bedeutung (ist kontextgebunden). (S. 70)
Wie bereits angeklungen, ist für Nonaka/Takeuchi die Verwandlung von implizitem in explizites Wissen ein Schlüssel zum Verständnis der Umwandlung von Wissen; es ist eine Unterscheidung, die von Polanyis (1985) eingeführt wurde, von ihm charakterisiert durch die Bemerkung, dass „wir mehr wissen als wir zu sagen wissen.“ Das explizite Wissen ist danach, wie unsere Japaner sich ausdrücken, nur die Spitze des Eisbergs. — Dieser Ansatz wird nun, zunächst einmal mit Mitteln der Logik, folgendermaßen ausgebaut:

VIER FORMEN DER WISSENSUMWANDLUNG
Von implizit zu implizit, ein Prozess, der als SOZIALISATION bezeichnet wird. Als Beispiel aus Japan werden hier von der Firma Honda eingerichtete Treffen genannt, an denen auch interessierte Nicht-Firmenmitglieder teilehmen können. Sie finden gerne an Orten statt, wo man auch ein Schnäpschen oder ein heißes Bad, am besten beides, bekommen kann. Auch wenn dort unterhaltsame Brainstormings stattfinden, so ist die verbale Kommunikation nicht das Wichtigste. Mehr geht es darum, sich in seinen jeweiligen Haltungen kennenzulernen, miteinander auszukommen, Vertrauen zu bilden; insofern Sozialisation.

Von implizit zu explizit, ein Prozess, der als EXTERNALISIERUNG bezeichnet wird.
Wichtig ist hier, speziell wenn ein Produkt entwickelt wird, die Verwandlung von Vorstellungen in Metaphern, Analogien oder Modelle.

Von explizit zu explizit, ein Prozess, der als KOMBINATION bezeichnet wird. Dabei werden Bestandteile eines Wissenskomplexes, vor allem Konzepte, in Verbindung miteinander gebracht; dies kann in persönlicher Weise (Besprechungen) geschehen und/oder durch Zusammenfügen von Informationskomponenten in medialen Netzen (Kombination von Dateien zu Datenbanken).

Von explizit zu implizit, ein Prozess, der als INTERNALISIERUNG bezeichnet wird. Das ist die genaue Umkehrung des zweiten Prozesses. Internalisierung, so die Autoren, ist dem „learning by doing“ nahe verwandt. Es findet zum Beispiel statt, wenn ein Konzept fertig ist und dann von einer (unter Umständen wachsenden) Anzahl von Beteiligten umgesetzt wird; durch praktische Aneignung wird es integraler Bestand der Organisationskultur.

Im Gesamtprozess dieser vier Einzelprozesse, und dies erklärt auch die Auflistung in der Reihenfolge: (1) Sozialisation, (2) Externalisierung, (3) Kombination, (4) Internalisierung, wird nach der ausgesprochen dynamischen Theorie von Nonaka/Takeuchi eine WISSENS-SPIRALE erzeugt. Für deren optimale Entfaltung in einem Unternehmen sehen die Autoren die folgenden Voraussetzungen:
— Eine (möglichst konsensuale) Intention, durch die der Gesamtprozess gesteuert wird, vorzugsweise in einer expliziten Strategie; ohne eine solche Intention, betonen Nonaka/Takeuchi, könne der Wert jeweiligen Kenntnisse nicht wahrgenommen
werden.
— Autonomie, vor allem auf individueller Ebene, aber möglichst auch auf der Ebene von
Teams; was letztere betrifft, bewähre es sich in japanischen Unternehmen, sie funktionsübergreifend zu organisieren. Wird Wissen nach dem Vorbild autopoietischer Systeme (wie Zellverbände) erzeugt, ist Autonomie der Organe als deren selbstgesteuerte Erneuerung essenziell.
— Als Fluktuation und kreatives Chaos bezeichnen die Autoren Krisen, in denen die Be-
teiligten ihre Handlungen von Grund auf überdenken können; Selbstreflexion wird als Bedingung dafür angesehen, dass solche Krisen produktiv sind.
— Für Westler nicht leicht zu verstehen wird als weitere Voraussetzung Redundanz genannt; ‚überschüssige Mitteilungen‘, erklären die Japaner, haben besonders bei der Verwandlung impliziten Wissens in neues implizites Wissen Bedeutung, wie es in elementaren Sozialisationsprozessen stattfindet. Eine der Möglichkeiten, Redundanzbedingungen zu schaffen, besteht in der Überlappung von Kompetenzbereichen.
— Schließlich wird noch notwendige Vielfalt als Voraussetzung zur Erzeugung einer guten
Wissensspirale angesprochen, was wohl selbsterklärend ist. (S. 74 – 99)

Am konzentriertesten und am entschiedendsten auf die Praxis bezogen ist das, was Nonaka und Takeuchi mitzuteilen haben, in einem Fünf-Phasen-Modell dargelegt, das den Abschluss dieses Kapitels bildet. In diesem Modell, in dem das bisher Gesagte der Intention nach integriert ist, kommt nun noch die Zeitdimension hinzu. Die japanischen Experten der Wissensorganisation wollen ihr Modell als Musterbeispiel verstanden wissen, womit sie offenbar sagen wollen, dass der kreativen Abwandlung unter spezifischen Bedingungen keine Grenzen gesetzt sind. Folgendermaßen sieht das Modell aus:

FÜNF-PHASEN-MODELL DER WISSENSSCHAFFUNG
1. Phase: Implizites Wissen austauschen
Im impliziten Wissen sehen die Autoren ein reiches Basis-Potential von neuem Wissen, dessen Bergung begünstigt wird, wenn Menschen verschiedener Fachorientierung, Perspektive und Motivation in Austauschbeziehungen gelangen. Da es sich bei dieser
Art des Wissens um solche Bestände handelt, die womöglich noch nie in Worte zu
fassen versucht wurden, ist diese Kommunikation grundsätzlich nicht leicht und for-
dert die verschiedensten Sinne. Hilfreich sei es, ungezwungene (Interaktions-) Felder
zu schaffen, in denen sich Verschiedene aufeinander einstellen können.

2. Phase: Konzepte schaffen
In dieser Phase geht es entscheidend um die Verwandlung von implizitem in explizites
Wissen, in der reinsten Form durch Dialoge in einem selbstverantwortlichen Team, bis
sich explizite Konzepte herauskristallisieren; Bildsprachen wie Metaphern und Analogien haben hier Brückenfunktion.

3. Phase: Konzepte erklären
Ein fertiges Konzept bedarf in der Regel der Erklärung, oft nach verschiedenen Seiten
hin. In diesem Prozess finden Bewertungen statt bis zur Entscheidung, ob oder in
in welcher Form das Konzept weiterverfolgt wird; nützlich sind dabei Erklärungskriterien, die mit der Intention der Organisation und auch den Bedürfnissen der Gesellschaft, in der sie agiert, in Einklang stehen sollten. Um typische Missverständnisse hinsichtlich der Intention zu vermeiden, wird vorgeschlagen, durch Informationsredundanzen Vergewisserungen herbeizuführen.

4. Phase: Einen Archetyp bilden
In dieser Phase wird das erklärte Konzept in etwas Fassliches verwandelt: einen Archetyp. Dieser kann die Gestalt eines Prototyps haben (bei dem verschiedenes
Expertenwissen zusammengetragen werden muss) oder eines Modells, welches
das angestrebte System in einfacher Weise ausdrückt.

5. Phase: Wissen übertragen
Wissen, das in Form eines Archetyps konkretisiert ist, kann sich in einer Organisation
(und auch über sie hinaus) vertikal und horizontal ausbreiten. Als Beispiel für die Ausbreitung in beiderlei Dimensionen wird die Firma Matsushita genannt; dort entstand unter dem Stichwort „Menschliche Elektronik“ eine Debatte, welchen Kurs das Unternehmen langfristig fahren solle und was „Menschlichkeit“ innerhalb des Unternehmens bedeute (mit der Folge einer Reduktion der Jahresarbeitszeit). Für eine effektive Gestaltung dieser Phase ist es den Autoren zufolge wichtig, dass hinreichende Autonomie der einzelnen Einheiten gegeben ist und dass immer wieder von neuem auf die Unternehmensintention — auch hier erscheinen wieder Redundanzen — zurückgefragt wird. (S. 99 – 106)

4 Wissensbeschaffung in der Praxis
Wissensschaffung in der Praxis heißt dieses Kapitel, zu dem „eilige Praktiker“ ja schon eingeladen wurden.
Es ist eigentlich eine Monographie über die erwähnte Matsushita Electric Industrial Co., mit der Beschreibung, wie in einem Zeitraum von drei Jahren ein dann äußerst erfolgreiches Produkt entwickelt wurde: ein Automat zum häuslichen Brotbacken. Für dieses Produkt hatte es von Anfang an mit „Leicht & Hochwertig“ eine Leitlinie gegeben; diese wurde von einem Pilotprojektteam dahingehend spezifiziert, dass außer dem leichten Gebrauch des Geräts und der Hochwertigkeit des gebackenen Brots dieses auch besser schmecken solle als die bekannte Massenware, außerdem schön anzusehen und nicht zuletzt über den Preis des Geräts auch erschwinglich sein sollte.
Nonaka/Takeuchi schildern ausführlich, wie sich in dem Gesamtprozess bis zur Marktfähigkeit des Geräts die Wissensspirale (wie sie in dem Fünf-Phasen-Modell eingefangen ist), drei Mal gedreht hat, also drei Zyklen zu unterscheiden sind. (1) Zu Beginn des ersten Zyklus arbeitete das Projektteam, wie die Autoren nahelegen, unter idealen Voraussetzungen: eine Intention (Leitlinie) war gegeben, das Team hatte volle Autonomie, die Vielfältigkeit seiner Mitglieder war groß genug. Es kam zur Entwicklung eines prototypischen Backautomaten, der allerdings die an ihn gerichteten Kriterien in technischer Hinsicht nicht erfüllte; deshalb musste der Kreislauf zur Generierung des nötigen Wissens erneut in Bewegung kommen. (2) Am Anfang des zweiten Zyklus vollzog sich das, was Nonaka/Takeuchi als Bewegung von ‚implizit zu implizit‘ fassen. Das technische Problem des Backautomat-Prototyps war nämlich, dass er den Teig „nicht richtig“ rühren konnte. Und so entschloss sich die Software-Entwicklerin Ikuko Tanaka herauszufinden, wie das geht. Der Bäckermeister, an den sie sich wandte, konnte ihr seine Kunst aber nicht erklären. Ihr blieb damit nichts anderes übrig als zu ihm in die Lehre zu gehen, um in Monaten zu lernen, was er sich in Jahren angeeignet hatte. Irgendwann hatte sie es dann ‚drauf‘, oder besser gesagt ‚drin‘. Nach dieser Phase kam jene, in der es darauf ankommt, das Implizite (für die Ingenieure) zu explizieren; hier half Frau Tanaka ein von ihr gefundenes Bild, das sie als „Drehdehnbewegung“ bezeichnete. Es wurde verstanden. (3) Der dritte Zyklus der Wissensspirale — auch für sie übrigens passt das Bild der Dreh-dehnbewegung — war noch ausladender als die vorigen. Denn jetzt waren auch die Kaufleute zu erreichen und das Wissen mit ihnen auszutauschen. Am Ende dieses dritten und letzten Zyklus war das den Heimbrotbackautomaten betreffende Wissen im gesamten Unternehmen verbreitet. (S. 109 – 140)

5 „Middle-up-down-Management“ der Wissensschaffung
In diesem Kapitel sprechen die Autoren ihre Ansicht aus, dass die anstehende systematische Wissenserzeugung weder mit hierarchischen noch mit partizipativen Managementkonzeptionen harmoniert. Deshalb kommen sie auf den Begriff „Middle-up-down-Management“.
Allerdings gehen sie konstruktiv an die Problematik heran. An amerikanischen Beispielen arbeiten sie die Vorzüge der veralteten Konzeptionen heraus, um sie zu einem neues Modell zu verbinden. Den Vorteil des hierarchischen Managements sehen sie darin, dass in ihm Führungsstärke institutionalisiert ist; den des partizipativen Managements in der Begünstigung von individueller Initiative.
Das Problem der Entwicklung eines „Middle-up-down-Managements“ nehmen Nonaka/Takeuchi in der Weise wahr, dass es aus einem quasi leeren Raum kommen muss, nämlich aus der stark ausgedünnten Mitte der Unternehmen. Von dort aus, so ihre generelle Ansicht, können sich Wissensspiralen am besten entfalten, d.h. in alle Richtungen ausbreiten. Deutliche Ansätze zu einem Management aus der Mitte heraus konnten die Autoren bei der von relativ jungen Leuten organisierten Firma Canon (auch bei Honda) erblicken. Beim Kopierer-Produzenten Canon würden drei große S hochgehalten: Selbstmotivation, Selbsterkenntnis, Selbstverwaltung; Probieren gelte dort viel, penible Vorschriften wenig. Ein Charakteristikum seien auch funktionsübergreifende Teams, wodurch eine Vernetzung so gefördert wird, dass die Beteiligten wissen, von wem sie welche Informationen erhalten können.
Nonaka/Takeuchi fragen dann noch, welche Rollen sich in dezidiert wissenserzeugenden Organisationen herausschälen werden. Bewusst bestimmen sie diese Rollen jenseits von hierarchischen oder anti-hierarchischen Kontexten und benennen folgende:
— Wissenspraktiker (mit einer gewissen Differenzierung in Generalisten und Spezialisten), die mit „wandelnden Lexika“ verglichen werden;
— Wissensingenieure, die mit der Fähigkeit der Wissensumwandlung beschrieben werden;
— Wissensverwalter, die den Wissenserzeugungsprozess mit Hilfe strategischer Kriterien steuern (z.B. in Form des „Management by Walking Around“). (S. 141 – 180)

6 Eine neue Organisationsstruktur
Das Ziel der systematischen Organisierung von Wissen betreffe nicht nur den Managementansatz, sondern habe auch tiefgreifende Konsequenzen für die Organisationsstruktur. Was in dieser Hinsicht neu im Entstehen begriffen ist, wird „Hypertextorganisation“ genannt.
Im vergangenen Jahrhundert hat das Verständnis von Organisation, wie die Autoren pointiert bemerken, geschwankt zwischen Bürokratie und Arbeitsgruppe. „Bürokratie“ mit ihrer ausgeprägten Formalisierung, Spezialisierung, Zentralisierung und Standardisierung, von Max Weber als rationale Organisationsform schlechthin beschrieben, habe ihre Vorzüge unter stabilen Rahmenbedingungen, werde aber in Zeiten schnellen Wandels typischerweise zu einer schweren Belastung. „Arbeitsgruppe“ könne wegen ihres flexiblen, anpassungsfähigen, dynamischen und partizipativen Charakters Schwächen des bürokratischen Modells ausgleichen, habe aber selbst die bedeutsame Schwäche, dass durch ihre zeitliche Begrenzung ein großer Teil des in ihr geschaffenen Wissens (weniger das explizite als das implizite) verloren zu gehen drohe. Aus dem Hin und Her zwischen Bürokratie und Arbeitsgruppe sind dann im späten 20. Jahrhundert etliche Versuche zur Überwindung des Dilemmas entstanden wie „Adhokratie“, unendlich flache Organisation, „Spinnennetz“, „umgekehrte Pyramide“, „Satellitenorganisation“, „interner Markt“ u.a.m. Ihnen gemeinsam sei, dass sie Antworten darauf suchten, wie man dem Erfordernis einer kontinuierlichen Dynamik, wie sie gerade auch für die Entfaltung von Wissen gebraucht wird, gerecht werden kann.
Grundsätzlich, so der weitere wichtige Gedanke, ist die Form der „Hypertextorganisation“ genau hierfür geeignet. Was das ist, wird auf dem Weg über den Unterschied zwischen einem gewöhnlichen Text und einem Hypertext erklärt: ersterer hat (formal besehen) eine einzige Schicht — sich selbst, letzterer dagegen mehrere Schichten. Und diese sind so organisiert, dass ein Anwender jede von ihnen und alle zusammen aufrufen kann; damit erhält er verschiedene Kontexte eines Gleichen. Am Hamlet als Theaterstück wird dies erläutert: Das Stück selbst ist ein Kontext; die (gesammelte) Sekundärliteratur zur Psychologie des Hamlet ist ein weiterer Kontext, der ein anderes Verständnis des Gleichen ermöglicht; (gesammelte) Video-Aufnahmen, wie unterschiedliche Schauspieler die Sein-oder-Nicht-Sein-Phrase spielen, wieder ein weiterer Kontext. Alle diese Kontexte, das ist besonders bedeutsam, können ins Verhältnis zueinander gesetzt werden.
Eine Hypertextorganisation als soziale Angelegenheit funktioniert analog, etwa wenn in einem Unternehmen Wissen in den ‚Kontexten‘ Geschäftssystem, Projektteam, Wissensbasissystem verteilt ist; von jeder Warte erscheint das Gleiche, die Unternehmung, in neuem Licht. „Hauptkennzeichen der Hypertextorganisation ist die Fähigkeit ihrer Mitglieder, den Kontext zu wechseln. Sie können sich zwischen den drei Kontexten hin- und herbewegen, um sich auf wechselnde Anforderungen innerhalb und außerhalb der Organisation einzustellen. Dank dieser Fähigkeit verfügt die Organisation über die gleiche Handlungsflexibilität wie ein Computeranwender bei der Beschäftigung mit einem Hypertextdokument. Der Prozess der Wissensschaffung im Unternehmen lässt sich somit als dynamischer Zyklus beschreiben, der die drei Schichten reibungslos durchquert.“ (S. 191 f)
Im Schlussteil des Kapitels wird an zwei japanischen Unternehmen gezeigt, wie die Form der Hypertextorganisation — laut Nonaka/Takeuchi nicht mit einer Matrixstruktur der Organisation zu verwechseln — im Ansatz (bei Kao) und in einem fortgeschritteneren Stadium (bei Sharp) entwickelt ist; sichtbar ist dabei, dass ältere (speziell hierarchische) Strukturen in den eigentlichen Geschäftsbereichen besonders zählebig sind.

7 Weltweite Wissensschaffung im Unternehmen
Ausgangspunkt ist hier die Frage, ob japanische Unternehmen, die aus kultureller Homogenität im Austausch von implizitem Wissen untereinander begünstigt sind, auf dem Weltmarkt, wo ihr spezifischer Vorteil als Bumerang wirken könnte, standhalten können. Um zu einer Antwort zu gelangen, werden die wesentlichen Unterschiede bei der Generierung von Wissen in japanischen Unternehmen im Vergleich zu westlichen herausgearbeitet:
Erstens würden die Verwandlungen des impliziten in explizites Wissen und vice versa bei den Japanern eher auf Gruppenebene stattfinden, im Westen eher auf individueller Ebene.
Zweitens kompensieren die Japaner ihre relativen analytischen Schwächen durch häufigen zwischenmenschlichen Austausch (Sozialisation).
Drittens sind die Unternehmensintentionen in Japan typischerweise vieldeutiger als im Westen. (S. 223 – 225)

Diese Unterschiede spielen eine Rolle in der Untersuchung zweier Fallbeispiele, wie japanische Unternehmen sich auf dem Weltmarkt ausgebreitet haben. Das eine ist ein Nissan-Projekt, aus dem mit dem Primera das erste internationale Auto hervorging; hier schöpfte der Projektleiter die Sozialisationsmöglichkeiten aus, nicht nur indem er auswärts fließend Deutsch und Englisch lernte, sondern vor allem indem er in Europa kreuz und quer mit dem Mietwagen unterwegs war, um so ein Gespür für die dortigen Verbraucherpräferenzen zu bekommen. Das andere Fallbeispiel ist der Bau eines weltmarktfähigen Hydraulikbaggers durch Mitsubishi. Bei diesem weniger erfolgreichen Projekt gab es eine Reihe von schweren Reibungspunkten mit den amerikanischen Kooperanden, die großenteils zum ersten Mal im Ausland waren. Einer der Reibungspunkte war, dass sich die Japaner durch die ständigen Warum-Fragen der Amerikaner in die Enge getrieben fühlten.
Die Autoren sind zuversichtlich für die Weltmarktchancen der Japaner, wenn sie weiterhin nur lernbereit sind.

8 Praktische und theoretische Konsequenzen
Praktische und theoretische Konsequenzen: In dieser Reihenfolge wird im letzten Kapitel der Zyklus des Buchs geschlossen. Die praktischen Konsequenzen werden in sieben Aktions-schritte gefasst, welche die Autoren als Elemente eines universellen Modells zur Generierung von Wissen ansehen:

1. Eine Wissensvision schaffen. Hierzu gehört die Wissensdomäne zu bestimmen, in der man sich einrichten will. Zum Beispiel hat die von oberflächenwirksamen Stoffen für Waschmittel herkommende Firma Kao ihre Domäne als „Oberflächenwissenschaft“ abgesteckt und sich damit selbst Grenzen zur Durchdringung neuer Märkte (Kosmetik und Floppy Disks) geöffnet. Mit der Bestimmung von Domänen als Produkte oder Dienstleistungen, heben die Autoren hervor, fesselt man sich oft selbst.

2. Eine Wissensgemeinschaft bilden. Ein besonders im Westen weitverbreitetes Missverständnis sei, Wissensproduktion primär als ‚Verarbeitung‘ objektiver Informationen aufzufassen. Entscheidend für die Bildung einer Wissensgemeinschaft ist eine „reiche Bandbreite von Talenten“.

3. Ein energiegeladenes Interaktionsfeld erzeugen. Gerade bei Neuentwicklungen sind funktionsübergreifende Teams wichtig. Dort muss man in Bildern kommunizieren, an denen sich kollektive Denkprozesse entzünden können (Beispiel Tanaka). Es sollte Spielraum für „sinnvolle Fehlschläge“ gegeben sein. Auch Dialoge mit Kunden bzw. potenziellen Kunden gehören zu einem solchen Interaktionsfeld.

4. Auf dem neuen Entwicklungsprozess aufbauen. Es sind typischerweise Neuprodukte, an denen die systematische Wissenserzeugung kultiviert wird. Hierauf lohnt es sich aufzubauen. Im Einzelnen kommt es auf drei Faktoren an: (1) anpassungsfähige und flexible Ansätze, (2) sich selbst organisierende Projektteams, (3) Beteiligung von Nichtexperten.

5. Das Middle-up-down-Management einführen. Die Kluft zwischen Traum und Realität wird durch starke Brücken überwunden.

6. Auf eine Hypertextorganisation umstellen. „Kein Kinderspiel“, sagen die Autoren an dieser Stelle. Die aus der Vergangenheit bekannte vertikale Struktur (wie in der Bürokratie) und horizontale Struktur (wie in der Arbeitsgruppe) miteinander zu verbinden, ist schon schwierig genug. Nun kommt noch als eine dritte Schicht das eigentliche Wissen der jeweiligen Organisation hinzu, und dieses ist virtuell. Dass die Mitglieder der Organisation sich in allen drei Schichten bewegen können (als wäre jede in einer Datei enthalten) macht das Besondere der Hypertextorganisation aus. Aus zwei Gründen ist nach Nonaka/Takeuchi der Übergang zur Hypertextorganisation notwendig: (A) Um einer gesunden Energetik willen darf man sich zu einer gegebenen Zeit nur in einer Schicht aufhalten (zu einer anderen Zeit in einer anderen), im Unterschied zur Matrixorganisation, wo die systematisch angelegte Doppelfunktion die Kräfte aufzehrt. (B) In der Hypertextorganisation erhöht sich die Qualität des Wissens, weil die arbeitende Person die Räume finden kann, in denen sie sich am besten bewegen kann (optimale Synergieeffekte).

7. Ein Wissensnetz mit der Außenwelt einrichten. Die meisten Bedürfnisse von Kunden sind implizit; deshalb ist feinfühlige Interaktion nach draußen nötig (was die herkömmliche Marktforschung kaum leistet), wo man aber (potenzielle) Kunden findet, die ihre Bedürfnisse gut explizieren können, sollte man dieses Wissen besonders hegen. (Punkt 1. – 7. S. 256 – 265)

Die theoretischen Konsequenzen sind in der Hauptsache: Innovation wird nicht durch Wissen an sich, sondern durch die Erzeugung von Wissen vorangebracht. Erzeugt wird Wissen durch Umwandlung vorhandenen Wissens auf einen Zweck hin. Als das größte und in erster Linie westliche Menschen behindernde Hindernis für solche Umwandlungen sehen die Autoren ein auf Dichotomien beschränktes Denken, die Wahrnehmung der Welt in Gegensätzen. Darum erläutern die beiden japanischen Wirtschaftswissenschaftler respective Philosophen zum Ende hin an einer Reihe von Dichotomien die Methodik ihrer Verwandlung, am Schluss im Beispiel des Gegensatzpaares ‚Osten/Westen‘. Die typisch westliche Mentalität ist auf Zweiheit, die typisch östliche auf Einheit eingerichtet. Und so wird am Schluss die Frage gestellt, ob denn eine Versöhnung westlicher mit östlicher Geisteshaltung unmöglich ist. Im Einklang antworten Jiro und Hiro: nein.

02.10.2001; MF