Seelische Ausgeglichenheit und Künstliche Intelligenz (KI)

Seelische Ausgeglichenheit und Künstliche Intelligenz (KI)
Bildnachweis: Werner Heiber/Shotshop.com

Teil 2 aus der Reihe Mensch 2.0: Seelische Ausgeglichenheit ist ein besonderer Zustand: Genuss des Hier und Jetzt. Das „Ich“ schwebt über allem Banalen und die Intuition baut Luftschlösser. Wo bleibt die Motivation? Was kann eine KI hier ausrichten?

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Das Prinzip „seelische Energie“ erlaubt es der Software im Gehirn, Bedürfnisse, Anforderungen, Belastungen oder auch Erinnerungen, eben sämtliche Inputs und Outputs der neuronalen Netze in die Form einer allgemeingültigen „Gehirn-Währung“ namens „seelische Energie“ oder technisch ausgedrückt „Steuerungsenergie“ zu bringen. Auf diese Weise lassen sich zuströmende Erfolge und abströmender Aufwand überhaupt bilanzieren und daraus in jeder Situation ein bestmögliches Verhalten errechnen.

Bei einem gelungenen Projekt, einem erfüllenden persönlichen Erlebnis oder auch einfach bei Spaß und Freude, im Kleinen bereits, wenn die Ampel genau passend auf „grün“ wechselt, spürt man doch regelrecht, wie nach solchen „Erfolgen“ eine größere oder kleinere Welle seelischer Energie zufließt und die Seele aufleben lässt.

Biologisch gesehen ist es z.B. Dopamin, das als „Belohnungssubstanz“ nach einem empfundenen Erfolg ins Blut ausgeschüttet wird. Es dockt an bestimmten Rezeptoren im Organismus an und löst dabei diese angenehmen bis euphorischen Gefühle aus.

Serotonin als Belohnungssubstanz wirkt eher mittelfristig und wird oft mit Medikamenten künstlich angehoben, z.B. wenn der seelische Pegel auf ein absolutes Minimum gefallen ist und eine Depression droht.

Auch Drogen wirken wie Belohnungssubstanzen, indem sie die gleichen „Glücksrezeptoren“ ansprechen, so „Erfolge“ auf chemischem Wege vorspiegeln und damit den seelischen Pegel „unverdient“ und künstlich anheben.

Auf emotionaler Ebene lässt sich Ausgeglichenheit als besonderer seelischer Zustand ohne innere Bedürfnisse oder äußere Anforderungen auffassen.

Die Welt ist in Ordnung, Bildnachweis: Werner Heiber/Shotshop.com

Symbolisch dafür steht, von lauer Luft umfächelt und mit geschlossenen Augen in einem Liegestuhl im Grünen zu träumen, frei von allen Sorgen und Nöten und weit weg vom täglichen Getue mit seinen vielfachen Zwängen und verführerischen Angeboten, die die neuronalen Netze, ob man nun will oder nicht, zum Mitschwingen bringen und keine innere Ruhe aufkommen lassen.

Kein Wunder, dass sich in alten Zeiten tiefschürfende Denker in Höhlen oder auch mal in ein Fass zurückgezogen haben, um dem Chaos zwangsläufig profaner Gedanken des täglichen Lebens zu entfliehen.

Ausgeglichenheit, ein eher seltener Zustand, den jeder gerne anstrebt, um sich an Körper und Seele zu regenerieren und frei zu sein für neue Gedanken und Aktivitäten. Da ein solcher „Idealzustand“ eher selten eintreten wird, gibt es Techniken, z.B. Meditation, um auch unter Belastung dem seelischen Pegel der Ausgeglichenheit wenigstens zeitweise näher zu kommen.

Ausgeglichenheit ist ein höchst individuelles Gefühl von innerer Ruhe und Gelassenheit, mit dem die Software des Menschen diesem einen für ihn optimalen Kontostand an seelischer Energie kundtut: Keine Stresshormone, keine Ängste, keine Zwanghaftigkeit, keine geistigen Begrenzungen wie Ideologien oder andere Scheuklappen in Wahrnehmung oder Denkprozessen.

Die neuronalen Netze sämtlicher Lebensbereiche schweigen: Keines davon fühlt sich angeregt, keines beansprucht die Priorität. Landläufig gilt es als ausgemacht, dass es kein neuronales Netz oder irgendeine Institution im Gehirn gibt, die ein zentrales „Ich“ repräsentieren würde.

Aber wenn ich in meinem Liegestuhl so losgelöst dahindöse, warum kann ich dann leicht und bewusst an das Rendezvous mit Louisa morgen denken, mir in Gedanken vorstellen, was ich ihr sagen möchte und wie der Abend verlaufen könnte?

Warum kann ich mit einem Fingerschnippen umschalten und mich an den schönen Urlaub erinnern, diesen aufs Neue freudig an mir vorüberziehen lassen? Oder mir eine neue Reise vorstellen? Woher kommt dieses leichtfüßige „freie Denken“, das ich so genieße? Geistig entfesselt ohne jede ideologische Verkürzung?

Selbst wenn ich versuche, an gar nichts zu denken, warum gehen mir dann immer noch federleichte Phantasien durch den Kopf? Oder meine Lieblingsmelodie? Meine Intuition schwebt losgelöst und unbeschwert über den neuronalen Netzen des täglichen Lebens und spielt alle möglichen und unmöglichen Phantasien durch, was sich alles ereignen könnte, selbst noch im Halbschlaf, einfach so.

Könnte es denn sein, dass es doch ein übergeordnetes, aber verborgenes neuronales Netz namens „Ich“ gibt, dieses sich aber nur in den kurzen Augenblicken seelischer Ausgeglichenheit zeigt?

Denn beim geringsten Anzeichen eines Bedürfnisses oder der kleinsten Anforderung von außen wird die bekannte „zweite Reihe“ neuronaler Netze, zuständig für Angelegenheiten des täglichen Lebens, unweigerlich die Aufgabe an sich ziehen. Dann splittet sich das „Ich“ wieder in einzelne „Teil-Ichs“ auf.

Das am stärksten angeregte und sich dadurch zuständig fühlende Netz wird unterdrückende Impulse an die anderen Netze senden, um sich die Priorität bei der Bearbeitung eben „seines“ Problems zu sichern.

Geringe Anzeichen von Hunger genügen bereits, damit die „Hunger-Netze“ die Wahrnehmung auf Essbares scharf schalten und Aktionen in die Wege leiten, vor allen Dingen an Nahrung zu kommen und alles andere vorerst zurückzustellen.

Alle Schichten aktiv

Im Zustand der seelischen Ausgeglichenheit stehen dem Menschen alle seine körperlichen und geistigen Ressourcen im Standby zur Verfügung. Um aktiv zu werden, braucht es nur noch der Ziele und einer Motivation.

Das deutlichste Merkmal für seelische Ausgeglichenheit ist ruhige Überlegung durch die bewusste Beteiligung von Vernunft und Verstand bei Verhaltensentscheidungen. Daran beteiligen sich alle neuronalen Schichten, von den biologisch elementaren und unbewussten bis hinauf zu den bewussten obersten Ebenen von Verstand und Intuition.

Die Sinne geben die Realität, so gut es ihnen überhaupt möglich ist, wieder. Dadurch finden sich Aufwand und Risiken einigermaßen realistisch eingeschätzt und die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Aktion erhöht.

Es ist genügend Steuerungsenergie da, um bei Entscheidungen auch die energieintensiven, ebenfalls zu den höheren Schichten zählenden sozialen Ebenen zu beteiligen, die den Umgang mit den Interessen Anderer und der Natur regeln.

Das Selbstwertgefühl ist hoch in dem Gefühl, sein Leben im Griff zu haben.

Auch die körperliche Seite profitiert: Keine Sorgen oder Ängste und damit auch keine Stresshormone stören die Steuerung der Organe oder des Immunsystems. Der Organismus läuft rund.

Der hohe Pegel bedeutet auch große Resilienz, da genügend Reserven vorhanden sind, um auch überraschende größere Abflüsse seelischer Energie durch Misserfolge oder schicksalhafte Verluste aufzufangen.

Eine wesentliche Folge seelischer Ausgeglichenheit ist ein wacher Geist, der sich gegen banale Manipulation und „Fake News“ durch gezielte Information, eigenständiges Denken und Verstehen der Zusammenhänge gut wappnen kann.

Welch hilfreiche Rolle könnte eine Künstliche Intelligenz im seelisch ausgeglichenen Zustand eines Menschen spielen? In dem sich außer genussvollen Daseins und wolkigen Zukunftsträumen nicht viel bewegt?

Da sich eine heutige KI in erster Linie aus der Vergangenheit speist, erscheint sie weniger geeignet, kreativ in die Zukunft zu blicken. Aber warum sollte eine adaptierte KI nicht auch menschliches Verhalten im Ganzen beinhalten und den Menschen befähigen, neue Zusammenhänge zu erschließen und hilfreiche Wege für seine eigene Weiterentwicklung in Richtung nachhaltiger Existenz aufzuzeigen?

Eine persönliche Assistenz-KI würde neben allgemeinen Informationen, die für jeden Menschen gelten, auch einen Teil ganz individueller, auf ihn persönlich zugeschnittener KI für eine bessere Lebensführung umfassen mit dem Ziel, Manager auch seines Unterbewusstseins zu werden. Dazu sollte er seine innersten Antriebe kennen.

Was heißt das? Mit einer bestimmten Situation konfrontiert reagiert der Mensch meist unbewusst nach seinem inneren Programm, bringt aber seine Reaktionen oft nicht mit den wahren Ursachen in Zusammenhang. Eine KI könnte durchaus diesen Zusammenhang erkennen, Ursachen und Wirkungen abgleichen und bewusst machen: Du wirst schon wieder wütend, mal sehen, was dahintersteckt!

Fazit: Seelische Ausgeglichenheit bedeutet bestmögliche Wahrnehmung der Realität, Übersicht, langfristiges Denken, optimale Entscheidungs- und Prioritätenfindung wie auch innere Ruhe, Regenerieren von Körper und Seele und gute Funktion des Immunsystems. Das Selbstwertgefühl ist hoch.

Eine „persönliche KI“ könnte als „mentales Exo-Skelett“ im Zustand der Ausgeglichenheit erstellt und in Zeiten seelischer Defizite ihre Inhalte zu den Gedankengängen der dann nicht mehr in Gänze verfügbaren natürlichen Intelligenz beisteuern.

Autor: Dr. Wolfgang Issel

Dies war Teil 2 aus der Reihe Mensch 2.0 Lesen Sie auch weitere Beiträge der Reihe:

Über den Autor

Dr. Wolfgang Issel
Dr.-Ing. Wolfgang Issel ist Diplomphysiker und führt ein Ingenieurbüro für Neuentwicklungen – darunter fällt beispielsweise die Entwicklung von humanoiden Robotern hin zu der Fähigkeit selbstständiger Entscheidungen und Empathie.
 
Eines seiner aktuellen Projekte ist die „Psycho-Mathematik“: Dieser Begriff beschreibt die bereits fortgeschrittene Entwicklung eines mathematischen Algorithmus zur Modellierung menschlichen Verhaltens in unterschiedlichen Situationen (Human Analytics), auch im Zusammenwirken mit KI. Der Einsatz von Psycho-Mathematik beispielsweise in Führungsseminaren ist für die Zukunft geplant.

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