Nilles, Jack M.: Managing Telework

Nilles, Jack M.: Managing Telework, ISBN 0-471-29316-4. New York 1998. 330 Seiten.

Themen: Management der Telearbeit, Telecommuting,Telemanagement, Teleworking.

Abstract
Jack Nilles, Altmeister der Telearbeit und ihr Promotor, gibt ein Kompendium seiner reichen Erfahrungen, den Schwerpunkt auf Managementfragen legend.

Inhaltsverzeichnis
Preface
1 Concepts of Teleworking — S. 5
2 Selecting Teleworkers — S. 18
3 Site Location — S. 44
4 Telework and Technology — S. 64
5 How Do You Know They’re Working? — S. 98
6 Rules and Regulations — S. 121
7 Measuring Results — S. 135
8 Issues for Home-Based Teleworkers — S. 171
9 Training — S.190
10 Getting It Together — S. 204
11 Organisation Design Impacts — S. 224
12 Marketing Telework Centers — S. 237
13 Telework around the Globe: A Peek into the Future — S. 283

Bewertung
Das Buch ist einfach und in praktischer Art geschrieben, mit vielen Zeichnungen einer Karikaturistin der Telephilie.

Inhalt

Vorwort
Im Vorwort erzählt Nilles eine Episode aus dem Jahr 1974: Er war mit dem Auto bei stockendem Verkehr auf dem Weg zur Arbeitsstätte, als über dem Santa Monica „Free“way das Zeichen MAINTAIN YOUR SPEED zu einem Zeitpunkt aufleuchtete, als seine Geschwindigkeit exakt NULL betrug. In diesem Moment wusste er, dass „Telecommuting“ Zukunft haben würde.
Telecommuting oder ‚Telependeln‘ bezeichnet das von Nilles entdeckte Prinzip, wonach das Pendeln zwischen Wohn- und Arbeitsort durch das Pendeln von Information ersetzbar ist. Heute fasst Nilles Telecommuting als die Teilmenge der Telearbeit (Telework), die durch Verwandeln von Verkehrsstauen in Informationsflüsse zustandekommt.

Telearbeit
Im 1. Kapitel wird die Dezentralisation der Arbeit als Gegenläufigkeit zu der seit der Industriellen Revolution beobachtbaren Tendenz der Zentralisation der Arbeit angesprochen (im 11. Kapitel detaillierter erörtert).
Als Hauptformen der Telearbeit werden genannt: Teleheimarbeit (Home-Based Telecommuting), Telearbeit in Satellitenbüros (Satellite Telework Centers), in Nachbarschafts-zentren (Local Telework Centers) und Mischformen.

Auswahl
Das 2. und 3. Kapitel thematisiert die Selektion von Telearbeitern, die in erster Instanz durch ein sehr einfaches Verfahren durchgeführt werden kann: Potentielle Telearbeiter gliedern ihre Tätigkeiten in ihre Einzelbestandteile auf; dann wird eine Beurteilung möglich, welche dieser Tätigkeiten im Firmenbüro stattfinden müssen und welche nicht (ein Musterblatt für eine Aufgliederung auf S. 19). Fortgesetzt wird die Selektionsfrage mit der Diskussion von Kriterien — z.B. angemessener Arbeitsraum, elektrische Anschlüsse— dafür, ob die häusliche Umgebung für einen Telearbeitsplatz geeignet ist oder nicht.

Technologie
Kapitel 4 erläutert Regeln zum technologischen Bedarf von Telearbeitern, beispielsweise die schwer zu vereinbarenden Regeln ‚Wenn die Technologie um 100 % zu teuer erscheint, warte ein paar Jahre, bis sie zum halben Preis zu haben ist‘ und ‚Nichts geht über die beste Technologie‘.

Kontrolle
Im 5. Kapitel wird über die Furcht von potentiellen und wirklichen Managern der Telearbeit gesprochen, sie könnten die Kontrolle über die Telearbeitskräfte verlieren.
Leadership hat für Jack Nilles „zwei Hälften“, Vertrauenswürdigkeit und Kontaktfähigkeit. Das Förderlichste, nämlich Vertrauen aufzubauen, ist für ihn eine Frage der Qualität der Kommunikation und einer angemessenen Häufigkeit der Kontakte. Im Grunde gelte dies für jegliche Art der Arbeit; aber Telearbeit, wenn sie funktionieren soll, sei in besonderem Maße auf Beziehungspflege angewiesen. In welchem Verhältnis Face-to-Face-Kontakte und elektronische Kontakte stehen sollten, könne generell nicht entschieden werden, doch in der Regel sei ein Mix von beidem die richtige Antwort.
Besonders betont Nilles als Manager die Verständlichkeit von Aufgabenstellungen für Telearbeiter: was zu tun ist, warum, wann und wie gut (S. 103) Nach seiner Philosophie hat gegenseitiges Verstehen größere Bedeutung als Übereinstimmung.
Desweiteren weist er darauf hin, dass „informelle Kommunikation absolut notwendig für die mentale Gesundheit einer Gruppe ist.“ (S. 111)
Schließlich macht er auf eine besondere Gefahr aufmerksam, die beim Telemanagement besonders zutage tritt: die Arbeit so auszurichten, dass sie aus der Distanz am Leichtesten gesteuert werden kann. (S. 114)

Gerechtigkeit
Kapitel 6, Rules and Regulations, besagt, dass in einer Firma Telearbeiter und Nicht-Telearbeiter trotz unterschiedlicher Detailregelungen grundsätzlich nicht verschieden behandelt werden sollten; besonders angesprochen sind dabei Versicherungs- und Krankheitsregelungen (auch für Teleheimarbeiter müsse gelten: „sick is sick“.) Außerdem enthält das Kapitel, auf S. 125 – 134, eine übersichtliche Checkliste von Fragen, die im Vorfeld der Einführung von Telearbeit von Bedeutung sind.

Nutzen
Das 7. Kapitel handelt vom Nutzen des Telecommuting, der, wo es möglich erscheint, den Kosten gegenübergestellt wird. Gerechnet wird mit den zusätzlichen Effekten, die Telecommuting gegenüber herkömmlicher Arbeit erzeugt.
Für Arbeitgeber ergibt sich nach Untersuchungen für die Jahre 1989 – 97: Monetäre Summe des direkten Nutzens (vor allem gesteigerte Effektivität der Arbeit) und des indirekten Nutzens (insbesondere geringerer Energieverbrauch durch Einsparung von Fahrwegen) minus der Summe der direkten Kosten (zusätzliche Technologie, Training etc.) und der indirekten Kosten (zusätzliche Einrichtungen, Kommunikationskosten) macht im Resultat einen Nettonutzen von durchschnittlich rund 8000 Dollar jährlich pro Telecommuter. (S. 161)
Für Arbeitnehmer, d.h. hier Telecommuter, fallen bei entsprechender Rechnungsweise zusätzliche Kosten für Heimbüros an (werden in den USA meist nicht kompensiert — Nilles rechnet mit einem Durchschnitt von jährlich rund 200 Dollar pro Telecommuter); dies würde jedoch weit mehr als ausgeglichen werden durch die mit jährlich rund 900 Dollar angesetzten Einsparungen für Auto, (Büro-) Kleidung, Essen und Kinderbetreuung. (S. 163)

Anmerkung/MF: Zumindest die letzte Größe ist problematisch; denn die Einsparung von Kinderbetreuungskosten ist im Prinzip nur gegeben, wenn Tele(heim)arbeiter gleich- zeitig am Computer arbeiten und Kinder betreuen.

Ausgenommen aus den monetären Aufstellungen bei Nilles, aber ausführlich diskutiert, ist der schwer quantifizierbare Nutzen, den das Telecommuting durch verbesserte Lebensqualität mit sich bringt, sowohl hinsichtlich der besseren Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben als auch hinsichtlich der Umweltbelastung.

Anmerkung: Die positiven Auswirkungen auf die Umwelt werden in Europa und speziell im Freiburger Öko-Institut deutlich zurückhaltender beurteilt. Es wird dort argumentiert, dass Telearbeit sich im Zuge der Ausbreitung der IuK-Industrien ent-
wickelt, die (bislang) auf die Umwelt in stärkerem Maße belastend als entlastend
wirken.

Tipps
Im 8. Kapitel werden Tipps für die Einrichtung von Teleheimbüros und die Arbeitsutensilien gegeben, ebenso für den Umgang mit Besuchern — ein neues Verkehrsproblem. Das 9. Kapitel enthält Ausführungen zu Trainings für potentielle Telearbeiter und Telemanager, mit Musterbeispielen für die Durchführung von Workshops für beide (S. 198 – 201). Kapitel 10 fasst das Bisherige zusammen.

Generelles zur Telearbeit
Im 11. Kapitel kommt Nilles auf die wirtschaftsgeschichtlichen Fragen zurück, die eingangs unter dem Stichwort der Dezentralisation angeschnitten wurden.
Schon Mitte oder Ende der 1950er Jahre sei in den sich zentralisierenden Industrien im Zusammenhang mit eskalierenden Raumkosten in City-Lage ein Phänomen der Auslagerung aufgetreten, von Nilles als „Fragmentierung“ bezeichnet.
Dieses Phänomen hatte nach Nilles allerdings einen ganz anderen Charakter als die mit den ersten Telecommuting-Programmen um die Mitte der 1970er Jahre sichtbar gewordenen Prozesse der „Dispersion“ (Firmensitze zerstreuen sich in die Nähe von Wohnorten) und der „Diffusion“ (Bildung von Arbeitsplätzen in Wohnorten bei beliebiger Entfernung vom Organisationszentrum). Mit diesen Prozessen, dies sieht Nilles als das Besondere und Neue, wird der Wohnort zum bestimmenden Faktor für die äußere Form der Arbeitorganisation. Der Arbeitende wird damit, wie Nilles unterstreicht, von den überkommenen Arbeitsorten unabhängig.
Er untersucht dann die in diesen Prozessen sich herausbildende „Netzwerkorganisation“ und die „Flüchtige Organisation“ (Evanescent Organisation). Netzwerkorganisationen wie zum Beispiel eine hierarchisch organisierte Telefongesellschaft oder das nicht-hierarchisch organisierte Internet sind ‚fest‘ in dem Sinne, dass sie bestimmte Teilnehmer verbinden. Flüchtige Organisationen sind demgegenüber ‚flüssig‘ insofern, als die Teilnehmer typischerweise wechseln; als fundamentales Beispiel hierfür führt Nilles eine Informations-brokerin an, die für irgendeinen Zweck einen Informationsaustausch zwischen A und B vermittelt, für einen anderen Zweck einen zwischen C und D. Für Nilles offenbar der Traum der Freiheit von festen Arbeitsorten und ihren verfestigten Hierarchien, oder Flexibilität pur.

Marketing
Kapitel 12 heißt etwas überraschend „Marketing Telework Centers“. Solche Zentren, erklärt Nilles, waren sein Focus in den frühen 1970er Jahren, vermutlich auch die erfolgreiche Geschäftsidee. Aus Erfahrung betont er die Wichtigkeit für solche Zentren, sich Ziele zu setzen — z.B. „Stimulierung der lokalen Ökonomie“ oder „Re-Humanisierung der lokalen Community“. Das Entscheidende aber sei, eine strategisch günstige Lokalität zu finden, dort, wo Pendler pendeln, die in Telependler verwandelt werden können. Eine Fülle von Tipps werden hierzu und zum Drumherum gegeben.

Zukunft
In 13, dem letzten Kapitel, geht der Blick in die Zukunft. Zunächst wird (S. 286) eine Kurve für die Entwicklung des „Telecommuting“ (das nach Nilles‘ Begriffen gegenwärtig etwa 80 % des Teleworking ausmacht) in den USA bis zum Jahr 2030 gegeben; diese Kurve zeigt den Umkehrpunkt von der beschleunigten zur verlangsamten Zunahme der „Telecommuter“ in den späten 1990-er Jahren. Weitere Kurven für die Entwicklung des „Teleworking“ rund um den Globus zeigen das gleiche Entwicklungsmuster mit zumeist ein bis zwei Jahrzehnte später abflachenden Kurven. Etwas Bedeutsames wird normal.

02.10.2001; MF