Intelligenz setzt Kommunikation voraus

Zusammenarbeit erfordert Kommunikation
Zusammenarbeit wird hier als gezieltes Zusammenwirken verstanden, nicht zufälliges Zusammenwirken, wie es im Weltall fast überall vorkommt. Damit Zusammenarbeit gezielt passieren kann, müssen Informationen ausgetauscht werden: Sender – Botschaft – Empfänger. Und der Empfänger muss die Botschaft „verstehen“, also im Sinne des Senders umsetzen. Das nennt man allgemein Kommunikation. Und der Sender muss ein Ziel haben, zu dessen Zweck er die Botschaft aussendet. Das Ziel dient dem Sender.
In diesem Sinne funktioniert Zusammenarbeit nur mit Hilfe von Kommunikation. Trivial eigentlich.
Bei einem Einzeller (z.B. einer Amöbe) wirken die chemischen Stoffe in ihrer Zelle so zusammen, dass die Amöbe wachsen und damit diese Stoffe auch vermehren kann (Ziel). Die chemischen Stoffe haben sich im Laufe von Jahrmillionen so entwickelt. Sie sind so geschaffen und wechselwirken so, dass die Amöbe eben funktioniert. Eigentlich auch trivial.
Bei primitiven Mehrzellern (z.B. Bakterienfilme) sendet ein Bakterium z.B. einen speziellen Botenstoff, den die anderen im Verband als Signal interpretieren, etwas Bestimmtes zu tun (z.B. Schleim abzusondern). Solche Botenstoffe sind z.B. Hormone. Dies ist eine deutliche Form von Kommunikation und Zusammenarbeit. Im Laufe der Jahrmillionen haben sich daraus mehrzellige Organismen entwickelt, die als Ganzes und nicht mehr nur als lose Gemeinschaft funktionieren. Eigentlich auch noch trivial.
Innerhalb dieser Mehrzeller haben sich im weiteren Verlauf der Evolution die Zellen spezialisiert. Einige sind Leber-, andere Muskelzellen, und wieder andere bilden Nervenzellen, die Informationen schneller transportieren als herkömmliche Botenstoffe. Allerdings arbeiten sie an den Synapsen – nach wie vor – mit chemischen Stoffen. Als Folge haben sich dann auch noch spezielle Sensorzellen entwickelt. Das alles ist nützlich und hilft beim Überleben. Primitive Beispiele dafür sind Würmer.
Im Verlauf der Evolution haben sich dann Nervenzellen zusammengeballt und neue Organe (Hirne) gebildet. Bei den Wirbeltieren ist das Hirn an nur einem Ort. Andere Tiere wie Oktopusse haben mehrere getrennte Zentralen. Auch beim Menschen gibt es mehrere solche Organe, die allerdings alle im Schädel sind. In den Zentralen wird die Information der Sensoren zwischengespeichert, bevor sie verarbeitet und als Ergebnis an andere Organe (z.B. Muskeln) oder an andere Teile des Hirns gesendet wird. Diese Verarbeitung nennen wir denken.
Denken setzt Kommunikation voraus und resultiert seinerseits wieder in Kommunikation.
Wenn Informationen rein chemisch z.B. mit Botenstoffen verarbeitet werden, dann sprechen wir bei Tieren von Instinkt und nicht von Denken. Und wenn die Informationen in den Teilen unseres menschlichen Gehirns verarbeitet werden, die unserem Bewusstsein nicht zugänglich sind und wo wir nur Ergebnisse wahrnehmen, sprechen wir von Gefühlen. Wenn wir unser eigenes Denken wahrnehmen, sprechen wir von Bewusstsein.
Letztlich funktioniert das aber alles sehr ähnlich.
Bei primitiven Lebewesen dient Kommunikation – wie beschrieben – als Hilfsmittel zum zielgerichteten Handeln. Bei höheren Lebewesen wird durch die (begriffliche) Abbildung der äußeren Welt im Hirn durch Denken die jeweils aktuelle Situation analysiert. Daraus können vorteilhafte Handlungen abgeleitet und geplant werden. Das nennen wir dann Intelligenz. Wenn wir uns dabei beobachten, sprechen wir von Bewusstsein.
Selbstbewusstsein ist es nur dann, wenn wir zusätzlich beobachten, dass es nur uns selbst dient.
Intelligenz ist die Fähigkeit, eine gegebene Situation zu verstehen und möglichst schnell daraus Schlüsse zu ziehen für vorteilhafte Handlungen.
Das geht – wie beschrieben – nur durch interne Kommunikation. Die Sensoren (Augen, Ohren und andere) müssen die zur Situation gehörende Teile ans Hirn kommunizieren, das sich zunächst ein Gesamtbild verschafft und dabei überlegt, wie es damit umgehen könnte, also viele mögliche Planungsschritte durchspielt. Und wenn es dann zu einem – hoffentlich nützlichen – Ergebnis gekommen ist, muss es seine Befehle an die Muskeln und anderen Organe wieder zurückkommunizieren.
Und genau daraus lernen wir auch als Menschen (wie auch die Tiere). Wir lernen aus – oft nur sehr kleinen – Planungsschritten – ganz anders als z.B. KI, die aus Faktenwissen lernt. Der wesentliche Unterschied im Lernen besteht daraus, dass die lebendige Welt Kommunikation und mögliche Handlungen nutzt, um zu lernen. KI aber lernt aus statischen Fakten.
Und genau das unterscheidet künstliche Intelligenz (KI) von menschlicher Intelligenz.
Solange sich das nicht ändert, wird es keine AGI geben, wie wir sie uns Menschen zuschreiben.
Über den Autor
Michael Mörike ist seit 2008 ehrenamtlich als Vorstand in der Integrata Stiftung tätig.
Als Informatikpionier führte er bereits während seines Studiums Projekte in der EDV durch. So richtete er beispielsweise 1969 Prozessrechner für die Uni Tübingen ein. Zwischen 1978 und 2000 war Michael Mörike in der Geschäftsführung verschiedener Unternehmen tätig (GDV 4 Jahre, Integrata 14 Jahre, itm AG 4 Jahre) bevor er zur Jahrtausendwende in den Stand des Freiberuflers wechselte. Als Projektleiter hat er so renommierte Projekte wie BTX und NIVADIS geleitet.