Hornberger, Sonia / Weisheit, Jürgen: Telearbeit und Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Hornberger, Sonia / Weisheit, Jürgen: Telearbeit und Vereinbarkeit von Beruf und Familie, in: Büssing, André / Seifert, Hartmut (Hg.): Die Stechuhr hat ausgedient. Flexiblere Arbeitszeiten durch technische Entwicklungen. Berlin 1999 (Forschung aus der Hans-Böckler-Stiftung, Bd. 12), S. 127-146. 216 S. ISBN 3-89404-872-7. 27,80 DM.

Themen: Arbeitswissenschaft, Geschlecht, Implementierung, Netzkommunikation, Unternehmenskultur, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Wertschöpfung, Zeitsouveränität.

Abstract
Der Aufsatz referiert die Ergbnisse diverser quantitativer Studien zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei Telearbeit. Im Mittelpunkt stehen die Autonomie der (Arbeits-) Zeit, familiäre Interaktionen, Rollenverteilung in der Familie sowie die betrieblichen Hindernisse einer familienorientierten Telearbeit.

Inhaltsverzeichnis
1. Chancen und Risiken von Telearbeit
2. Balancemodell als Interessenausgleich zwischen Unternehmen und Mitarbeitern
3. Betriebliche Umsetzungen
4. Ausblick

Bewertung
Der Aufsatz ist eine programmatische Handreichung. Die Frage der familialen Organisation von Erreichbarkeit und Verfügbarkeit und der konkreten Umsetzung von Telearbeit bleibt allerdings außen vor.
Inhalt

1. Chancen und Risiken von Telearbeit
Der erste Abschnitt behandelt die widersprüchlichen Einschätzungen darüber, welche Chancen von Vereinbarkeit von Familie und Beruf Telearbeit bietet. So ist die Autonomie der Arbeitszeitgestaltung nicht von vorneherein ein Merkmal von Telearbeit. Arbeitszeiten würden häufig an Kundenanforderungen oder Arbeitsabläufe angepaßt. Die Autoren verweisen auf eine eigene Studie, bei der zu Beginn variable Arbeitszeiten verbunden mit festen Ansprechzeiten zu Hause ausgemacht wurden. Dank der modernen Kommunikationstechnologien wie E-Mail, Anrufbeantworter und Voice-Mail blieb auch bei kurzen Abwesenheitszeiten eine prinizipielle Erreichbarkeit gewährleistet. So wurden aufgrund positiver Erfahrungen diese Verpflichtungen nach der Pilotphase größtenteils wieder aufgehoben. Uneindeutigkeit konstatieren die Autoren im Hinblick auf die Rückwirkungen von Telearbeit auf das familiäre Leben. Einerseits ist in den hinzugezogenen Studien von der Verbesserung der Kind-Eltern-Beziehungen die Rede, andererseits wird im Zusammenhang der Auflösung der Grenzen zwischen Arbeits- und Privatsphäre auch von einer Verschlechterung der Qualität familiärer Interaktionen und von Rollenkonflikten zwischen Arbeit und Familie gesprochen. Demnach fühlen sich Telearbeiter ständig zur Arbeit aufgefordert und übertragen den damit verbundenen Stress auf die Familie.
2. Balancemodell als Interessenausgleich zwischen Unternehmen und Mitarbeitern
Ambivalent sind auch die Ergebnisse im Hinblick auf die Zementierung klassischer Geschlechterrollen und die Vereinbarung von Familie und Beruf. Das Balance-Modell im Sinne eines Interessenausgleichs zwischen Unternehmen und Mitarbeiter ist ein Vorschlag der Autoren zur Maximierung der Chancen und zur Minimierung der Risiken. Sie werben dafür, nicht nur die betriebliche Flexibilisierung zu verfolgen, sondern auch die familiären Rahmenbedingungen für Telearbeiter entsprechend zu gestalten. Infolge von Wertewandel und dem gestiegenen Bedürfnis nach mehr Autonomie und Zeitsouveränität sollen familienorientierte Regelungen vermehrt ermöglicht werden. Das heißt: eine Organisation des Erwerbslebens, die die Trennung von Arbeits- und Privatleben sowie von Beruf und Familie fortschreibt, entspricht nicht mehr den Anforderungen und Bedürfnissen der Arbeitnehmer.

3. Betriebliche Umsetzungen
Im Abschnitt über „Betriebliche Umsetzung“ werden vier verschiedene Implementierungsstrategien (Experimentelle Einführung, „Big Bang“-Ansatz; Inkrementelle Einführung und Pilotversuch) zur Einführung von Telearbeit sowie betriebliche Stolpersteine auf dem Weg zu einer familienorientierten Telearbeitsform diskutiert. Die Autoren fordern eine programmatische Familienorientierung. Dazu ist es notwendig, über einzelne Betriebsvereinbarungen hinaus dieselbe bis in die Unternehmenskultur hinein zu verankern.
4. Ausblick
Im Ausblick stellen die beiden Autoren die Forderung auf, „aus betriebswirtschaftlichen Überlegungen heraus“ familiale und persönliche Anliegen in der Zeitplanung, Verteilung und Bewertung der Arbeit gerade auch mit Blick auf die Definition von wertschöpfender Arbeit mehr zu berücksichtigen und in die Arbeitsabläufe zu integrieren. Sie sehen die Telearbeit aber durchaus als strukturelle Chance, die außerberufliche Lebenswelt mit der Berufswelt wieder stärker zu verknüpfen.

20.07.2001; KS