Büssing, André / Broome, Patrick: Telearbeit – Zeitflexibel in die Informationsgesellschaft?

Büssing, André / Broome, Patrick: Telearbeit. Zeitflexibel in die Informationsgesellschaft?, in: Büssing, André / Seifert, Hartmut (Hg.): Die Stechuhr hat ausgedient. Flexiblere Arbeitszeiten durch technische Entwicklungen. Berlin 1999 (Forschung aus der Hans-Böckler-Stiftung, Bd. 12), S. 99-126. 216 S. ISBN 3-89404-872-7. 27,80 DM.

Themen: Arbeit und Freizeit, Arbeitszeit/Gestaltung, Autonomie, Psychologie, Telearbeitsformen, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Zeitsouveränität.

Abstract
Es geht um individuelle und organisationsbezogene Gesichtspunkte verschiedener Telearbeitsformen im Hinblick auf die Arbeitszeitflexibilisierung sowie um die Vor- und Nachteile in bezug auf die Arbeitszeitgestaltung.

Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung und Problemstellung
2. Flexibilität und Autonomie der Arbeitszeitgestaltung unter Telearbeit
3. Bewertung der Arbeitszeitgestaltung unter Telearbeit
4. Zeitreflexive Telearbeit? – Ein Resümee

Bewertung
Büssing/Broome verknüpfen die psychologische Ebene unter Telearbeit mit einigen Prämissen des Konzepts der alltäglichen Lebensführung, um die Leistungsfähigkeit des eigenen Konzepts sozialverträglicher Arbeitszeitgestaltung vorzuführen. Interessant für die Tarifparteien.

Inhalt

1. Einleitung und Problemstellung
Der Beitrag versteht sich als Analyse aus Sicht der Betroffenen auf der Grundlage des von Büssing/Seifert (1995) entwickelten Konzepts der sozialverträglichen Arbeitszeitgestaltung.

2. Flexibilität und Autonomie der Arbeitszeitgestaltung unter Telearbeit
Die Autoren konstatieren im Zusammenhang mit der Frage nach der Flexibilität der Arbeitszeitgestaltung eine Verschiebung der Diskussion über die Dauer (35-Stunden-Woche) hin zu deren Verteilung. Dabei läßt sich zwischen gleichförmig-starrer Arbeitszeitverteilung und flexiblen Arbeitszeitformen unterscheiden. Bei den flexiblen Arbeitszeitformen lassen sich wiederum dynamische, gleitende und variable Arbeitszeiten differenzieren. Telearbeit tritt neben traditionellen Methoden zur Arbeitszeitgestaltung als betriebliche Flexibilisierungsstrategie in Erscheinung.
Die Sozialverträglichkeit von Arbeitszeiten unter Telearbeit erschließt sich für Büssing/Broome aus den betrieblichen Rahmenbedingungen sowie den privaten Lebenszusammenhängen. Denn die Wirkungen von Arbeitszeiten unter Telearbeit ergeben sich im Spannungsfeld zwischen Zeitsouveränität und Zeitnot, zwischen Vereinbarkeit von beruflichen, familiären sowie sozialen Anforderungen und Mehrfachbelastungen. Die Autoren betonen den Zugewinn an Lebensqualität durch die Autonomie (Freiheit, Vielfalt und Selbstbestimmung) zur Arbeitszeitgestaltung. Für deren Bestimmung ist stets die Subjektivität der individuellen Realitätskonstruktion (persönliche Wünsche, Werte und Kompetenzen) und die jeweilige psychische Bilanz zu berücksichtigen. Büssing/Broome begreifen die Interessen von Arbeitnehmern (Arbeitszeitautonomie) und Arbeitgebern (Ausdehnung der Betriebszeiten) als andauerndes und spannungsreiches Verhältnis. Sie sehen die Gefahr, daß die Arbeitszeit als kakulierbare Größe für die Freizeit-, Lebens-, Familien- und Einkommensplanung generell und nicht zuletzt unter Telearbeit ins Wanken gerät. In diesem Zusammenhang sehen sie im Konzept sozialverträglicher Arbeitszeitgestaltung eine Möglichkeit der Analyse, Bewertung und Gestaltung flexibler Arbeitszeiten.
Schließlich diskutieren die Autoren beispielhaft die Arbeitszeitflexibilisierung in verschiedenden Formen von Telearbeit (Teleheimarbeit, alternierende Telearbeit und Telezentrum) im Hinblick auf die jeweilige Sozialverträglichkeit und die damit verbundene Autonomie der Arbeitszeitgestaltung.

3. Bewertung der Arbeitszeitgestaltung unter Telearbeit
Aus ihrer Darstellung von Fallbeispielen der verschiedenen Formen von Telearbeit ergibt sich ein differenziertes Bündel von Schlußfolgerungen, die entlang der Kritierien sozialverträglicher Arbeitszeitgestaltung erörtert werden: Beschäftigungssicherheit, Einkommen, Gesundheit, lebensgemeinschaftliche Beziehungen, soziale Teilhabe, Autonomiegrad. Dabei empfehlen die Autoren die Telezentren als richtungsweisend für die Arbeitszeitgestaltung unter Telearbeit.

4. Zeitreflexive Telearbeit? – Ein Resümee
In ihrem Resümee heben die Autoren hervor, daß weibliche Telearbeiter die Autonomie der Arbeitszeitgestaltung oder beispielsweise die mögliche Synchronisation von häuslichen und beruflichen Anforderungen oftmals als Gewinn empfinden. Gleichzeitig treten Mehrfachbelastungen neuer Art hinzu. Dabei hängt es oftmals auch von anderen Faktoren (z.B. Schlafverhalten von Kleinkindern) ab, inwiefern Zeitsouveränität erlebt wird. Zugleich beobachten Büssing/Broome eine Übertragung von Autonomie und Restriktivität in der Arbeit auf die Freizeit sowie Schwierigkeiten im Wechsel von privater und beruflicher Zeit.
Ungeachtet aller beschriebenen Schwierigkeiten sehen sie in der Telearbeit einen Schritt hin zur Aussöhnung des Interessenskonfliktes zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in Sachen Arbeitszeit. Davon unabhängig ist die Frage der Realisierung der erhofften volkswirtschaftlichen Impulse, die nicht zwangsläufig erfolgt.

01.02.2001; KS