Bickhoff, Nils et al.: Mit Virtuellen Unternehmen zum Erfolg – Ein Quick-Check für Manager

Bickhoff, Nils; Böhmer, Christiane;Eilenberger, Guido; Hansmann, Karl-Werner; Niggemann, Markus; Ringle, Christian; Spremann, Klaus; Tjaden, Gregor: Mit Virtuellen Unternehmen zum Erfolg. Ein Quick-Check für Manager, Springer Verlag, Berlin – Heidelberg 2003. ISBN 3-540-44246-4. 125 Seiten. € 34,95.
Es handelt sich um die 2. Publikation von „Roland Berger Strategy Consultants – Academic Network“, die die 1. („Neue Geschäftsmodelle“) weiter verfeinert.

Themen: Virtuelle Unternehmen, empirische Untersuchung, Realtypen virtueller Unternehmen, Erfolgsfaktoren virtueller Unternehmen.

Abstract
Die hohe Autorenzahl erklärt sich daraus, dass das Buch Ergebnisse einer gemeinsamen empirischen Untersuchung (Roland Berger, drei Universitäten, ein Unternehmen aus der Wirtschaft) aufarbeitet.

Nach grundlegenden Ausführungen zu virtuellen Unternehmen stellt das Buch die Ergebnisse dieser empirischen Untersuchung vor und leitet daraus sog. „Realtypen“ Virtueller Unternehmen sowie einen „Quick-Check für Virtuelle Unternehmen“ ab. Letzterer soll eine erste Einschätzung (vorzugsweise aus der Sicht aller vorgesehenen Partner) für Zweckmäßigkeit und Realtyp eines geplanten Virtuellen Unternehmens ermöglichen.

Inhaltsverzeichnis
1 – Einführung (S.1-8)
2 – Grundlagen virtueller Unternehmen (S.9-32)
3 – Ergebnisse der Empirischen Untersuchung I – Erfolgsaussichten und konkrete Erfolgsfaktoren Virtueller Unternehmen (S.33-62)
4 – Ergebnisse der Empirischen Untersuchung II – Realtypen Virtueller Unternehmen (S.63-96)
5 – Der Quick-Check für Virtuelle Unternehmen (S.97-112)

Literatur-, Abbildungs-, Tabellen- und Autorenverzeichnis.
Es gibt kein Stichwortverzeichnis.

Bewertung
Angesichts von Buchumfang und Zielgruppe erscheint es akzeptabel, dass betriebswirtschaftliche Grundlagen wie z.B. der Transaktionskostenbegriff vorausgesetzt werden.

Unschärfen kommen vor. Bspw. definieren Picot et al. den Begriff der „grenzenlosen Unternehmung“ deutlich weiter als er zu Beginn des 2. Kapitels zitiert wird. Die unter 3.1 stehende Bemerkung, es gebe keine größere empirische Untersuchung zu Virtuellen Unternehmen, dürfte nur für Deutschland gelten. Der wissenschaftlich interessierte Leser wundert sich auch darüber, dass einerseits die Fragestellungen aus Interviews und Fragebogen nicht im Buch enthalten sind, andererseits das „Methodische Vorgehen“ (5.5 Exkurs) in großen Zügen beschrieben wird. Unklar bleibt bspw. auch, warum unter 3.1 von 30 Fragebögen, auf S.49 aber von 55 befragten Partnerunternehmen die Rede ist. Die einbezogenen Virtuellen Unternehmen werden erst auf S.64 tabellarisch beschrieben, Angaben zur Größenordnung der Partner fehlen leider.

Lt. S. 1f bietet das Buch „eine konzeptionelle Entscheidungshilfe für Manager, die sich fragen, ob sie ihr Unternehmen, Teile ihres Unternehmens oder neue Unternehmungen … in die Kooperationsform eines Virtuellen Unternehmens einbringen sollen. Unser Quick-Check … zur Bewertung verschiedener Alternativen basiert auf empirisch gesicherten Erkenntnissen erfolgreicher Virtueller Unternehmen“ und erlaubt mit geringem Zeitaufwand eine erste Einschätzung. Letzteres muss man betonen, denn trotz der kreativen und wissenschaftlich sorgfältigen Übertragung empirischer Erkenntnisse in eine praktische Anwendung bleibt die Frage, ob zehn bis zu einer gewissen Tiefe untersuchte Virtuelle Unternehmen eine solche Verallgemeinerung erlauben.

Inhalt

1 – Einführung
führt aus, es fehle noch an einem einheitlichen Verständnis virtueller Unternehmen (VU), geht auf Vorteile und Problemfelder von VU ein und erläutert Untersuchungsansatz und Projekthistorie. Den Abschluss bilden sieben Thesen, die hier teilweise verkürzt wiedergegeben werden:

1. VU gewährleisten, dass Firmen allein nicht herstellbare Produkte und Dienstleistungen anbieten können, sie steigern die Kundenorientierung und vergrößern das Know-how der beteiligten Partner.

2. VU führen bisher nicht zu signifikanten Kostensenkungen.

3. Wichtigste Voraussetzung aus subjektiver Sicht der Partner ist die (noch nicht ausreichend ausgeprägte) Kooperationsfähigkeit.

4. Wichtigste Voraussetzung gemäß objektiver Analyse ist das Produkt: Seine Erstellung muss klar segmentierbar sein und verschiedene Kompetenzen erfordern.

5. Bereiche mit besonders hohem Einfluss auf den Erfolg eines VU sind: Netzwerkfähigkeit der Partner, ihr „Fit“, eine gute Grundlage der Kooperation und eine klare Definition der gemeinsamen Ziele.

6. Es gibt zwei Realtypen: Fokale Netze (ein Partner übernimmt die hierarchische Leitung) und gemeinsam geleitete Netzwerke

7. Die Organisation in einem fokalen Netz scheint für die Partner grundsätzlich erfolgversprechender.

2 – Grundlagen virtueller Unternehmen (S.9-32)
Dieses Kapitel will das nötige Grundverständnis für die empirischen Untersuchungen (Kap.3 und 4) vermitteln. Ein typisches VU ist demnach „ein zunächst auf ein Projekt befristetes, gemeinsam geleitetes Netzwerk rechtlich und wirtschaftlich selbständiger Partner, die unter unbegrenztem Wettbewerb ausgewählt worden sind und i.R. eines gemeinsam entwickelten und durchgeführten Projekts mit einem gemeinsamen Marktauftritt unter einem Namen gegenüber Kunden Ressourcensynergieeffekte erzielen und neue Marktchancen eröffnen wollen“ (Zitat z.T. modifiziert und verkürzt). Vertrauen und IT-Einsatz sind nicht Definitionsbestandteile sondern Erfolgsfaktoren.

Idealtypische kontextabhängige Ausprägungen, die in der Praxis ineinander übergehen, sind strahlenförmige Netzwerke mit einem fokalen Unternehmen sowie Netzwerke mit entweder institutionalisierter Leitungsfunktion oder einer kollektiven Leitung durch gleichberechtigte Partner. Schnittstellenzahl, Kontakthäufigkeit und damit die Transaktionskosten sind am höchsten bei gemeinsamer Projektentwicklung und -umsetzung. Die Partnerauswahl basiert häufig auf Erfahrungen, weniger auf der Suche nach den Besten am Markt; die Autoren unterscheiden „Offene Pools“ (fallweise werden neue Partner gesucht) und „Geschlossene Pools“. Zwischen den Partnern nicht unbedingt deckungsgleiche VU-Ziele sind Kosten-, Qualitäts- und Zeitvorteile sowie neue Marktchancen. VU werden gegenüber anderen Kooperationsformen (Strategische Allianz, Joint Venture, Konsortium) abgegrenzt.

3 – Ergebnisse der Empirischen Untersuchung I – Erfolgsvoraussetzungen und konkrete Erfolgsfaktoren Virtueller Unternehmen (S.33-62)
arbeitet Erfolgsvoraussetzungen und -faktoren von VU heraus. Aus 100 identifizierten deutschen VU wurden 21 ausgewählt und angesprochen, 10 in die Untersuchung einbezogen. Für diese wurde jeweils eine Fallstudie erarbeitet (Basis: Vorhandene Unterlagen und persönliche Interviews) und eine Befragung der jeweiligen Partner mit halboffenen Fragen zu konkreten Zielen, Voraussetzungen und Erfolgsfaktoren des VU durchgeführt.

Fallstudien und Fragebögen wurden zunächst deskriptiv ausgewertet (Ergebnisse: Definition und Merkmale von VU; Wichtigkeit und Erfüllungsgrad von Zielen; VU-Vorausetzungen und -Erfolgsfaktoren) und im Anschluss einer multivariaten Analyse unterzogen (Ergebnisse: Bestimmungsfaktoren für den VU-Erfolg, Realtypen). Im letzten Schritt erfolgte die mathematische Verdichtung zum Prognosemodell, woraus sich der Quick-Check und die bereits zitierten Managementthesen ergaben. Die Autoren begründen, warum die übliche Erfolgsmessung über die Aufwands-Ertrags-Relation nicht anwendbar war und erwähnen dabei auch die fehlende Auskunftsbereitschaft der Partner. Ersatzweise wurden Fragen nach der Zielerreichung der mit der Kooperation verbundenen Erwartungen je Partner gestellt.

14 nicht überschneidungsfreie (worauf aber nicht eingegangen wird) Ziele mit einer Bedeutung zwischen „sehr wichtig“ und mittlerer Bedeutung wurden unterschieden; an 1. Stelle stand „größere Angebotsbreite“, an letzter „Erreichen einer kritischen Größe“. Als Erfolgsvoraussetzungen wurden Projekt, Branche, Partner und Produkt ausgewählt, Kriterien dazu vorgegeben und Relevanz sowie Erfüllungsgrad erfragt. Die Auswertung erfolgte sowohl deskriptiv-subjektiv aus Partnersicht als auch objektiv über multivariate Analyse. Von 46 potentiellen Erfolgsfaktoren (Literatur, Erfahrung) wurden 26 objektiv bestätigt mit nur einem Widerspruch zwischen subjektiver und objektiver Einschätzung.

4 – Ergebnisse der Empirischen Untersuchung II – Realtypen Virtueller Unternehmen (S.63-96)
beschreibt die beiden vorgefundenen Realtypen. Jeweils zwei Fokale Netze (MCC smart GmbH; Biege 21) und gemeinsam geleitete Netzwerke (Entsorgungsverbund Logex; Star Alliance) werden genauer beschrieben.

Fokale Netze erzielen höhere Erfolge, was lt. Autoren darauf zurückgehen könnte, dass sich diese in einem gemeinsam geleiteten Netzwerk vergleichsweise verzögert einstellen. Während es in fokalen VU nur drei analytisch ermittelte besonders relevante Erfolgsfaktoren gab (Kompatibilität von Erfahrungen, Werten, Prinzipien und Zukunftshoffnungen; Größe und Image der Partner; IuK-Technik), waren es bei gemeinsam geleiteten Netzwerken zwölf.

5 – Der Quick-Check für Virtuelle Unternehmen (S.97-112)
operationalisiert und verdichtet die Ergebnisse der Empirischen Untersuchung zu einem einfach handhabbaren Praxiswerkzeug für eine erste Empfehlung zur Zweckmäßigkeit von VU. Der Quick-Check prüft (idealerweise aus Sicht aller potentiellen Partner) die Erfolgsfaktoren und -potentiale, die lt. empirischer Analyse relevant für gelungene Kooperationen sind und leitet daraus JA-NEIN-Empfehlungen für VU sowie im JA-Fall den geeigneten Realtyp ab. Zwei Teilschritte mit jeweils zwei Fragestellungen, insgesamt also nur vier Fragen mit jeweils zwei vorgegebenen Antwortmöglichkeiten werden über eine Navigationsmatrix und ein Strategietool mit neun Feldern ausgewertet.

Die Navigationsmatrix wurde mit Hilfe der Partnerunternehmen in einer separaten Erhebung validiert und ergab in 8 von 10 Fällen Übereinstimmung des vorliegenden Realtyps mit dem empfohlenen (in den nicht übereinstimmenden Fällen hatte jeweils nur ein Partner Fragen beantwortet).

24.01.2005; HH