Wird meine Persönlichkeit gestohlen?
Lässt sich Persönlichkeit überhaupt stehlen oder wenigstens kopieren?
Was ist Persönlichkeit? Was macht Persönlichkeit aus?
Was ist der Unterschied zwischen meiner Persönlichkeit und meiner Würde?
Die Persönlichkeit kommt durch das Zusammenwirken aller individueller Eigenschaften zustande, was mich also von anderen Personen unterscheidet: Zunächst sehe ich etwas anders aus und kleide mich auch anders als andere Menschen. Dann rede ich anders, denn u.a. ist meine Stimme anders. Und ich handle anders als andere, weil ich eigene Wünsche und einen eigenen Willen hab. Meine Persönlichkeit hat sich durch meine Physis (Körperbau) und meine Erlebnisse insbesondere auch meine spezielle Bildung gebildet und wird nun durch meine Erinnerungen gestützt. Auch meine im Laufe der Zeit wahrgenommenen Sinneseindrücke und mein Bewusstsein gehören dazu.
Transhumanisten träumen davon, eines Tages ihr Gedächtnis und ihr Bewusstsein uploaden zu können und so ewig weiterleben zu können – eben in einem anderen Körper. Sie sind davon überzeugt, ihre Persönlichkeit dabei behalten zu können oder wenigstens wesentliche Teile davon.
Ist das nicht schon heute möglich – halt vielleicht anders, als die Transhumanisten es sich vorstellen?
Tagtäglich werden unsere Daten in großem Umfang von den Big Five abgezogen, z.B. wie lange ich auf eine Anzeige im Internet geschaut habe und auf welche Anzeige und auf welche nacheinander etc….
Dabei kommt so viel Information zusammen, dass diese zu einem vollständigen Abbild von mir werden kann.
Das hat die Künstlergruppe Laokoon in einem realen Experiment gezeigt. Zum Start wurden Menschen per Anzeige gesucht, die sich dem Experiment freiwillig zur Verfügung stellen. Die Künstlergruppe hat daraus eine Frau ausgewählt, die keiner von ihnen direkt oder indirekt kannte. Mit ihrer Einwilligung wurden alle ihre im Internet verfügbaren Daten zusammengesucht und daraus ihr Leben rekonstruiert. Ihre Geschichte aus den gesammelten Daten wurde dann von einer Schauspielerin eingeübt. Zum Schluss wurde die reale Frau mit der Schauspielerin konfrontiert – mit erschreckendem Ergebnis. Es war so echt, dass Schauspielerin und echte Person sich kaum unterschieden hatten. Nicht nur im Aussehen, sondern eben auch in ihrer Reaktion auf alltägliche Kleinigkeiten – und vor allem eben auch in ihren Gefühlen – kurz also in ihrer ganzen Persönlichkeit.
War das nicht schon ein Upload? Aus den Daten können so gut wie alle äußerlichen Eigenschaften einer Person zusammengestellt und rekonstruiert werden. Das ist einem Upload schon sehr ähnlich.
Allerdings wurde ihr Bewusstsein von einer Schauspielerin „verkörpert“. Dazu gehören ja vor allem auch fortwährende Sinneseindrücke, die von den Sensoren der Schauspielerin geliefert wurden.
In nächster Zeit werden wir mehr und mehr künstliche Organe sehen, die mit vielen Sensoren ausgestattet sind. Dieser Teil wird auf jeden Fall umgesetzt werden können. Dann fehlt im Kern nur noch das Bewusstsein. Das ist derzeit noch unmöglich – auch wenn von manchem Forscher bereits daran gearbeitet wird.
Fest steht: Mit jeder Information, die im Internet abgespeichert wird und die ich nicht vorsätzlich herausgebe, wird mir ein kleines Stückchen meiner Persönlichkeit genommen. Das Beispiel zeigt: Es kann so viel sein, dass sie mir letztlich abhanden kommt.
Wird mir damit nicht auch meine Würde genommen?
Ist das nicht eigentlich verboten? Warum dürfen es die großen Internetgiganten trotzdem?
Über den Autor
Michael Mörike ist seit 2008 ehrenamtlich als Vorstand in der Integrata Stiftung tätig.
Als Informatikpionier führte er bereits während seines Studiums Projekte in der EDV durch. So richtete er beispielsweise 1969 Prozessrechner für die Uni Tübingen ein. Zwischen 1978 und 2000 war Michael Mörike in der Geschäftsführung verschiedener Unternehmen tätig (GDV 4 Jahre, Integrata 14 Jahre, itm AG 4 Jahre) bevor er zur Jahrtausendwende in den Stand des Freiberuflers wechselte. Als Projektleiter hat er so renommierte Projekte wie BTX und NIVADIS geleitet.