Hofmann, Josephine: Virtuelle Unternehmensstrukturen

Hofmann, Josephine: Virtuelle Unternehmensstrukturen, in: Dengel, Andreas / Schröter, Welf (Hg.): Flexibilisierung der Arbeitskultur. Infrastrukturen der Arbeit im 21. Jahrhundert. Mössingen 1997 (Sammlung kritisches Wissen, Bd. 25), S. 83-97. ISBN 3-89376-072-5. 44,00 DM.

Themen: Arbeits-/Tarifrecht, Textilbranche, Flexibilisierung/Rationalisierung, Globalisierung, Grenzen des Technologie-Einsatzes, Personalmanagement, Qualifizierung, techn. Standards, Telemanagement, Unternehmensstruktur, virtuelle Unternehmen, Wissensmanagement.

Abstract
Vor dem Hintergrund veränderter ökonomischer Rahmenbedingungen erfolgt die Darstellung der Kernelemente veränderter Arbeits- und Kooperationsformen bzw. neuer Produktions- und Managementkonzepte.

Inhaltsverzeichnis
1. Schneller, globaler, individueller … Trends in der Wettbewerbsumwelt
2. Virtuelle Unternehmensstrukturen – das interaktive Unternehmen
3. Welche technologischen Unterstützungsmöglichkeiten gibt es?
4. Realisierungsbeispiel kooperatives Bekleidungsdesign
5. Veränderte Managementkonzepte?
6. Gestaltungsbereich
7. Literatur

Bewertung
Dieser Beitrag aus der beratenden Forschungsperspektive ist als knappe Einführung und Überblickstext für unterschiedliche LeserInnen von Interesse. Da die sozio-theoretischen Aprioris in solchen Texten selten hinterfragt werden, ist die Grenze zur populärwissenschaftlichen Darstellung fließend.

Inhalt

1. Schneller, globaler, individueller … Trends in der Wettbewerbsumwelt
Hofmann begründet die Notwendigkeit neuer Konzepte von Arbeits- und Kooperationsformen (virtuelle Unternehmensstrukturen) mit den aktuellen wettbewerblichen, volkswirtschaftlichen und technologischen Trends, die mit Begriffen wie Globalisierung, Lohnkostendruck, Standortdiskussionen, Arbeitsplatzexport, Fixkostenreduktion beschrieben werden. Um nicht zum Paradebeispiel veralteter Produktions- und Managementstrukturen zu werden, fordert sie „dringendst“ (S.83) neue Konzepte. Als wirtschaftliche Herausforderungen und gesellschaftliche Trends, d.h. Bestimmungsfaktoren unternehmerischen Handelns, führt sie an: Kundenindividualität, Erlebnisorientierung, Globalisierung und weltweiter Aktionsradius, ‚kleine‘ Strukturen und Teamorientierung, weltweiter intellektueller Wettbewerb, Schnelligkeit (Turbomarketing, Quick Response), Kulte und Trends, Selbstbestimmung und neue Werte.

2. Virtuelle Unternehmensstrukturen – das interaktive Unternehmen
Aus dem dargelegten Bestimmungsfaktoren ergibt sich für Hofmann die Notwendigkeit neuer Konzepte der Zusammenarbeit und Kooperation wie sie virtuelle Unternehmensstrukturen auf der Grundlage tele-unterstützter Formen der Kommunikation und Kooperation darstellen. Die Autorin unterscheidet drei Stufen der Virtualisierung: virtuelle Arbeitsplätze, virtuelle Teams und Unternehmen, denen jeweils „die technologisch ermöglichte Neubewertung von Raum und Zeit als wesentliche Determinante bisheriger Arbeitsteilung zugrunde“ (S.88) liegt. Zwar ist die Technologie hier „eine treibende Kraft; aber nicht die richtungsbestimmende“. Vielmehr ergeben sich neue Möglichkeiten der Ressourcenallokation und damit auch „gewaltige Chancen“ (S. 88), wenn etwa Teams nunmehr nach Fähigkeiten und nicht mehr nach räumlicher Distanz und entsprechenden Kosten zusammengesetzt werden können.

3. Welche technologischen Unterstützungsmöglichkeiten gibt es?
Als technologische Unterstützungsmöglichkeiten beschreibt sie neue ISDN- und Internet-basierte Anwendungen: Bildkommunikation (Desktop-Conferencing-Systeme) sowie gemeinsame Dokumenten- und Informationsbestände (Intranet).

4. Realisierungsbeispiel kooperatives Bekleidungsdesign
Am Beispiel virtueller Unternehmensstrukturen in der Textil- und Bekleidungsbranche beschreibt die Autorin wie Telekooperationsanwendungen die international abgestützte Prototypenproduktion einer Modekollektion im Sinne von kundenindividueller oder regionenspezifischer Anpassungen unterstützen. Dabei verweist sie aber auch auf die Grenzen sowie die Entwicklungsnotwendigkeiten und organisatorischen Anpassungsnotwendigkeiten (frühzeitige Abstimmung, Einarbeitung in andere Wertemuster und Fachterminologien, Umdenken im Hierarchie- und Statusverständnis sowie technische Bandbreitenverbesserung).

5. Veränderte Managementkonzepte?
Hofmann stellt der klassischen Wertschöpfungskette den virtuellen Unternehmensstrukturen angepasste Management- und Optimierungsansätze gegenüber. Aus dem „Value chain“ wird das „Value web“, das Flexibilität in der Zuordnung von Ressourcen, der Verteilung von Profitmargen sowie in der Einnahme bestimmender Positionen und
Dominanzen betont: „Der Begriff ist Symbol für das Beziehungsnetz aufeinander angewiesener Partner mit wechselnden Machtverhältnissen, wechselnden Koalitionen, kurzfristig entstehenden Märkten und Dienstleistungen“ (S. 92). Realisiert sieht sie solche Strukturen bereits in der Emiglia Romagna in Norditalien. Die beiden Konzepte „Value chain“ und „Value web“ unterscheiden sich in ihrer sequentiellen versus vernetzten Sicht auf Interaktionen und gegenseitige Abhängigkeit, in dem Consumer- versus Prosumer-Verständnis des Konsumenten, in einer Dominanz- versus Partnerschaftsorientierung, in der langfristigen Bindung versus flexibler Partnerschaften, in einer Ergebnisorientierung versus Lernorientierung und in einer festgefügten versus fallweise festgelegten Arbeitsteilung.

6. Gestaltungsbereich
Die Beratungspraxis hat eine Vielzahl von Gestaltungsbereichen offengelegt: Projekt- und Teammanagement (Ergebnisorientierung und neues Führungsverständnis, adäquate mediale Unterstützung, Datenschutz und Datensicherheit, für die erhöhte Anforderungen und erhöhte Sensibilität notwendig sind), Virtual Corporate Identity (Die Suche nach den neuen – immateriellen – Repräsentationen und Mechanismen von virtuellen Strukturen ist noch im Experimentierstadium), Rechtsverbindlichkeit von Transaktionen (Forderung nach Umsetzung in akzeptierte und bezahlbare Verfahren) sowie Rechts- und Vertragsform von Unternehmen und Beschäftigungsverhältnissen (angepaßte Vertrags- und Unternehmensformen).
Aufgrund der neuen Arbeits- und Kooperationsformen konstatiert die Autorin eine größere Bedeutung von Medien- und Kommunikationskompetenz, die ein bewußtes Umgehen mit medienspezifischen Besonderheiten, unterschiedlichen Fachsprachen oder kulturellen Unterschieden ermöglicht. Hofmann verweist auf die von experimentierfreudigen NutzerInnen erprobten Anpassungsstrategien. Sie zeigt sich kritisch gegenüber vermeintlichen Gesetzmäßigkeiten. Vor diesem Hintergrund sieht sie einen „immensen Forschungsbedarf der Wirkungen erweiterter Formen technisch vermittelter Kommunikation“.

06.03.2001; KS