Heilmann, Wolfgang: Teleprogrammierung – Die Organisation der dezentralen Software-Produktion

Heilmann, Wolfgang: Teleprogrammierung – Die Organisation der dezentralen Software-Produktion, mit einem Geleitwort des Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg, Lothar Späth. Wiesbaden 1987 (Schriftenreihe Integrierte Datenverarbeitung in der Praxis, Bd. 40). 526 S. ISBN 3-7719-6305-2.

Themen: Akzeptanz, Arbeits- und Tarifrecht, EDV-Branche, Informatisierung, Kontrolle, ökonomische Bewertung, Personalmanagement, Qualifizierung, Telearbeitsformen, Telemanagement, Unternehmensstrukturen.

Abstract
Es handelt sich einerseits um eine frühe empirische Analyse, andererseits um eine Systematisierung von Telearbeitsformen im Softwarebereich (Teleprogrammierung) und eine Theoretisierung der Dimensionen von Telemanagement samt praktischer Gestaltungsvorschläge.

Inhaltsverzeichnis
Einleitung (1-8)
1. Untersuchungsobjekt und Forschungskonzeption (9-27)
2. Hypothesenableitung und Operationalisierung (28-84)
3. Empirische Analyse (85-141)
4. Formen und Potentiale der Teleprogrammierung (142-219)
5. Gestaltungsalternativen der Teleprogrammierung (220-400)
Schluß: Zur Diffusion der Teleprogrammierung (401-421)
Literaturverzeichnis, Sachregister, Anlagen (422-526)

Bewertung
Das Buch kann als Pionierarbeit der wissenschaftlichen Untersuchung von Telearbeit in Deutschland angesehen werden. Darin wird erstmals der Begriff des Telemanagements formuliert und konzipiert.

Inhalt

1. Untersuchungsobjekt und Forschungskonzeption
Der Autor umreißt die Elemente des „soziotechnischen Systems“ Teleprogrammierung (Menschen und Maschinen, die Bedingungen der räumlichen Entfernung sowie die Definition der Begriffe des Untersuchungskomplexes). Forschungsziel ist die Erarbeitung von Entscheidungshilfen.

Hypothesenableitung und Operationalisierung
Anschließend erfolgt die Hypothesenableitung und Operationalisierung für a.) die Gestaltungsziele (Rationalisierungsziele: Produktivität, Produktqualität, Flexibilität und Ökonomität; Humanisierungsziele: Sicherheit, Selbständigkeit, Arbeitsqualität und Lebensqualität), für b.) die Gestaltungsbedingungen (intern: Führungs- und Mitarbeiterverhalten, Entwicklungsstand der Informationstechnologie; extern: Leistungsprogramm der Unternehmung, Standort und Organisationsstruktur, ökonomisches und politisch-rechtliches Umsystem) und für c.) die Gestaltungsmaßnahmen der organisatorischen Realisierung von Teleprogrammierung (Dezentralisierung, Flexibilisierung, Formalisierung, Personalentwicklung, Information und Kommunikation, Arbeits- und Vertragsgestaltung sowie informationstechnische Konfigurierung).

3. Empirische Analyse
Die Analyse beruht auf einer Literaturauswertung (340 Titel) und eigener empirischer Forschung („Primär- und Aktionsforschung“). Dabei wurden 32 Firmen und 37 Mitarbeiter im angloamerikanischen und deutschsprachigen Raum befragt (und insgesamt 1.347 Telearbeitsplätze für Programmierer erfaßt). Hinzukommt noch ein einjähriger Versuch zur „verrichtungsorientierten Arbeitsweise“ in der Software-Produktion sowie drei Organisationsexperimente mit Telemitarbeitern in der Tübinger Integrata GmbH.

4. Formen und Potentiale der Teleprogrammierung
Zunächst werden Grundformen der Teleprogrammierung (Satelliten-, Dienstleistungs-, Heim- und Programmierbüro) herausgearbeitet, die jeweils im Hinblick auf den Zielerreichungsgrad bewertet wurden. Heilmann stellt zum einen ein „schwach positives Rationalisierungspotential“ (vor allem bei Produktivität, Qualität und Flexibilität; weniger bei der Wirtschaftlichkeit) und ein „etwas positiver“ ausfallendes Humanisierungspotential (vorwiegend bei den wirtschaftlichen Lebensverhältnissen, Selbständigkeit, Lebensqualität) fest.

5. Gestaltungsalternativen der Teleprogrammierung
Bei der Herausarbeitung der Gestaltungsalternativen unterscheidet der Autor ein soziales, personales, instrumentales sowie organisationales Handlungsfeld. Im sozialen Handlungsfeld kritisiert er die gewerkschaftliche Verbotsforderung von Telearbeit (TA) und bemängelt eine erst zögerlich sich entwickelnde Entkopplungsstrategie der Arbeitgeber. Außerdem unterbreitet Heilmann nach Darlegung der rechtlichen Rahmenbedingungen Vorschläge zur vertraglichen Gestaltung von TA. Das Mitarbeiterverhalten sieht der Autor geprägt von der persönlichen Situation sowie persönlichen Eigenschaften. Dabei unterscheidet er personen- und aufgabenorientierte Mitarbeiter. Letzere seien der Teleprogrammierung gegenüber aufgeschlossener. Er insistiert auf Maßnahmen zur Organisationsentwicklung und Versachlichung des Führungsstils (i.S. eines „Telemanagements“, S. 394ff.). 1987 prognostiziert der Autor, dass die TA aufgrund erwartbarer Verbesserungen (zum Zeitpunkt der Untersuchung dominierten noch technische Unzulänglichkeiten, mangelnde Verfügbarkeit und hohe Kosten) im Brennpunkt der informationstechnologischen Entwicklung stehen wird. Ungeachtet dessen betont Heilmann, dass die Teleprogrammierung kein technisches, sondern vorwiegend ein organisatorisches Problem ist. Das Dezentralisierungspotential einer Tätigkeit ergibt sich aus deren Anwesenheitsorientierung (weil nicht auslagerungsfähig) bzw. ihrer Ergebnisorientierung. Da Programmierung als ergebnisorientiert angesehen werden kann, sind insbesondere Softwarehäuser die Innobatoren der Teleprogrammierung. Die konkreten Maßnahmen der Strukturierung (Software-Engineering) und Koordinierung (Projekt-Management) werden beschrieben. Der Einfluß der Software-Technologie auf die Organisation von Teleprogrammierung ist dabei unverkennbar.

Schluss: Zur Diffusion der Teleprogrammierung
Im Schlusskapitel wird betont, dass Teleprogrammierung eine strukturelle Verfahrensinnovation ist, die zugleich weitreichende Konsequenzen für den Einzelnen (Aufgabenverteilung und Arbeitsstruktur) wie die Unternehmung (Organisations- und Personalentwicklung) zeitigt. Heilmann sieht das besondere Kennzeichen dieses Innovationsprozesses in der Entkopplung. Vier Dimensionen der Entkopplung werden unterschieden: räumlich, zeitlich, disziplinarisch und sozial. Er stellt fest, dass durch TA das hohe Maß an Selbstbestimmung, das die Menschen in der Freizeit längst erreicht haben, nunmehr auch auf das Arbeitsleben übertragbar wird. Dabei liegen Grenzen der Entkopplung weniger im wirtschaftlichen oder technischen als vielmehr im politisch- psychologischen Bereich. Zu diesem Zeitpunkt positionieren sich sowohl Gewerkschaften als auch Manager (aus unterschiedlichen Gründen) noch ablehnend.

14.03.2001; KS