Bach,V. / Vogler, P. / Österle, H. (Hrsg.): Business Knowledge Management

Bach,V. / Vogler, P. / Österle, H. (Hrsg.): Business Knowledge Management, Springer Verlag Berlin, Heidelberg, New York 1999. 280 Seiten.

Themen: Suchmaschinen, Wissensbedarfe, Wissensmanagement, Wissensobjekte, Wissensplattform, Wissensstruktur.

Abstract
Die St. Gallener Wirtschaftsinformatiker führen in das Business Knowledge Management ein und berichten von Wissensmanagementprojekten mit verschiedenen Firmen.

Inhaltsverzeichnis
Teil I: Grundlagen
1 Wissensmangement: eine unternehmerische Perspektive
2 Business Knowledge Management: von der Vision zur Wirklichkeit
3 Tools und Architekturen für Business Knowledge Management
4 Promet I-Net: Methode für Intranet-basiertes Wissensmanagement

Teil II: Fallstudien
5 Wissensmanagement für die Schadenbearbeitung in Versicherungsunternehmen
6 Wissensplattform für Electronic Customer Care
7 Wissensmanagement bei der LGT Bank in Liechtenstein
8 Smartnet als Kernstück des Intranet der Credit Suisse
9 Praktiziertes Knowledge Management bei der BMW AG
10 Das Verpackungsdesign der Migros: Knowledge Management in Business Networks

Bewertung
Mit der wohltuenden Ausnahme von Jens Schulze (Kapitel 9) herrscht die Neigung vor, sich hinter einem Businessdialekt des Informatiker-Arabisch zu verstecken.

Inhalt

1
Als Perspektive für Unternehmer wird in Aussicht gestellt, dass eine informations-technologisch gestützte Beschaffung und Vermittlung von Informationen Einsparungen erbringt. Dies sei von Banken, Chemieunternehmen, Versicherungen etc., die auf Wissens-management setzen, bereits erkannt worden. Die Erwartungen an diese neue Disziplin seien allerdings unterschiedlich. So wolle der Praktiker bereits digitalisiertes Wissen zugreifbar haben. Dem Wissenschaftler demgegenüber gehe es darum, Wege zur Wissensstrukturierung, zur Suche und Selektion vorhandenen Wissens und zu geeigneten Organisationsformen seiner Vermittlung zu finden. Darüber hinaus gäbe es auch „Visionäre“, die sich eine maschinelle Generierung von Wissen erhoffen, indem die betreffenden Maschinen aus vorhandenem Wissen Schlussfolgerungen ziehen und lernen würden. (S. 17)

Auffällig ist, dass weder in diesem ersten noch den weiteren Kapiteln des Buchs eine Definition von „Wissen“ versucht wird. Es scheint, als würde ‚Wissen‘ und ‚komplexe Informationen‘ gleichgesetzt werden.

Die Gründe für die Entdeckung des Wissensmanagement lägen zum Einen im Vorhandensein von informationstechnologischen Werkzeugen, mit denen Informationen erfasst, gespeichert, ausgewählt und verteilt werden kann, zum Andern in dem neuen Bewusstsein der Wirtschaft, dass Wissen eine wichtige Ressource ist. Als ein Vorreiter wird das sogenannte Livelink Intranet der Firma Open Text genannt, die Workflow-Management (Ablaufsteuerung), Dokumenten-Management und Groupwarelösungen (Computer-gestützte Gruppenarbeit) zu einer Standard-Infrastruktur integriert hat.
Als Trends würden sich abzeichnen (S. 22 f):
— Multimedia, d.h. Verarbeitung aller möglichen Informationsformen
— Globale Veröffentlichung von Dokumenten, infolge von Standardisierungen
— Elektronische Archivierung
— Zusammenwachsen der Dokumenten- und Transaktionsverarbeitung, d.h. Verarbeitung eigener und fremder Daten (vom Internet) werden einander naheliegende Funktionen.
— Such-, Dokumentenmanagement- und Workflow-Werkzeuge setzen sich durch.

Zusammenfassend sagen die Autoren, dass das noch am Anfang stehende Wissensmanagement wegen voranschreitender, dabei Wissen anhäufender Spezialisierung notwendig sei. Mit zunehmenden Erfahrungen — hier scheint Prof. Österle zu sprechen — würden übertriebene Erwartungen abgebaut werden.

2
Ein Weg von der Vision zur Wirklichkeit des geschäftlichen Wissens-Management (Business Knowledge Management) wird an der — fiktiven — Eurobank gezeigt, aus deren Planspielen das Modell für die Unterstützung einer realen Bank in Liechtenstein gewonnen wurde. Die folgenden Grundbegriffe (S. 38 – 43) wurden dabei wichtig.
— Wissensflüsse: im vorliegenden Fall vom Produktmanagement bis zu den Kunden und (als Feedback) wieder zurück
— Wissensstruktur: im vorliegenden Fall bestehend aus den Elementen der Hintergrunds-, Finanz-, Anlage- und Produktinformationen
— Wissensbasis: Systeme und Dokumente, Wissensmanagement-Prozesse und -Rollen
— Wissensorientierte Führung: Führungsorgane, Führungsinstrumente.
Als weiterer Fall wird eine wiederum fiktive „Mobile Tech“ genannt, als deren Aufgabe die Integration von Verkehrssystemen angenommen wurde. Auch hier wurde mit den oben genannten Grundbegriffen gearbeitet, außerdem mit dem eines Wissensführers (Chief Knowledge Officer), bei dem die Fäden zusammenlaufen, und einer Wissenskarte (KnowledgeMap), auf der Experten, Projekte und Informationsquellen in einem Blick erfassbar dargestellt sind.
Die Wissensstruktur, wird in diesem Kapitel betont, ist „der Schlüssel zu effizienter Navigation und Wissensnutzung.“ (S. 57)

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Unter „Tools und Architekturen für Business Knowledge Management“ wird zunächst von dem typischen Konflikt zwischen einer einheitlichen und einer bereichsspezifischen Ausrichtung der Systemarchitektur gesprochen. Am Beispiel des „Wissensobjekts: Kunde“ wird dann eine mögliche Architektur dargelegt, in der eine Wissensebene und eine Geschäftsebene unterschieden sind. Auf der ersten Ebene sind die Wissensobjekte angesiedelt, in diesem Fall die üblichen Attribute des Kunden (Name, Adresse etc.) und die Aufträge des Kunden; auf der zweiten Ebene die Geschäftsobjekte. Verbunden sind die beiden Ebenen gewissermaßen über die Treppe der „für den Kunden relevanten Produkte“ (S. 87 f).
Ein besonderer Abschnitt (S. 92 – 94) gehört den Suchmaschinen. Zu ihrer Geschichte wird der 1994 verwendetet WWW-Worm angesprochen, eine der ersten Internet-Suchmaschinen, für die rund 100 000 Dokumente zum Finden von Titelinfos indexiert waren; fünf Jahre später existierten Dienste mit dem Tausendfachen an für Volltextsuche zugänglichen Dokumenten. Die charakteristischen Funktionen einer Internet-Suchmaschine sind:
— Crawling: das Durchsuchen von Datenbeständen
— Indexing: Zerlegen eines Texts und Verknüpfung seiner Teile mit Einträgen/Wortkatalog
— Ranking: Bewertung aufgrund vorgegebener Algorithmen
— Searching: die im Allgemeinen über Stichwortlisten vorgenommen Suche.
Zu den wichtigsten Funktionen von Suchmaschinen für das (geschäftliche) Wissensmanage-ment gehört ihr integrierendes Durchstöbern heterogener Datenbestände.

4
Als „Promet I-Net“ wird eine für das Wissensmanagement relevante Methode vorgestellt. Das Problem sei, dass sich die Technologien rasant verändern und deshalb ein dauerhaftes methodisches Gerüst gegraucht werde, das in der Organisation eines Unternehmens verankert ist. Grundbegriffe sind hier der Lebenszyklus von Wissensobjekten, die erstellt, verteilt, genutzt/gepflegt und entfernt werden.
Quasi als Leitfaden seien Aufgaben mit Verantwortungszuteilung als Prozesse zu definieren, die in die Phasen Initiierung, Analyse, Konzeption, Realisierung unterteilt werden können.
(S. 117 – 129)

Im zweiten Teil des Buchs wird eine Reihe verschiedener Fallstudien dargestellt, beginnend mit

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Wissensmanagement für die Schadenbearbeitung in Versicherungsunternehmen
Hierbei dreht es sich, was die Wissensstruktur angeht, um Informationen über Kunden, Produkte, Prozesse, Partner. Verschiedene Wissensbedarfe seien dabei zu unterscheiden:
— der Wissensbedarf des Kunden als Geschädigtem
— der Wissensbedarf des Schadenbearbeiters, den er im Rahmen der Triage oder Variantenbildung bei der Schadenbearbeitung hat.
Diese Bedarfe seien zu verknüpfen und in ein Ablaufsystem (workflow) zu bringen (S. 133 -159).

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Wissensplattform für Electronic Customer Care
Hier geht es in extremer Weise um den Kunden, insofern jedenfalls, als er sozusagen als ewiger Käufer an die jeweilige Firma gebunden werden soll. Dazu wurde eine Wissensplatt-form ausgedacht, die als Rückkopplungsmodell angelegt ist und die folgende Phasen hat.
— Anregung: Unter dieser Kategorie werden alle Informationen festgehalten, die dienlich sind, um bei dem Kunden ein latentes Kaufbedürfnis hervorzurufen;
— Evaluation: Dies betrifft Informationen, die dem Kunden in seinem Bedürfnis entgegenkommen, die Leistung zu ‚evaluieren‘, die er bei eventuellem Kauf erhält;
— Kauf: die hierzu abrufenswerten Informationen
— After Sales: Informationen zur Kundenbetreuung nach dem Kauf, mit dem Ziel, ihn erneut in die Anfangsphase (Anregung) zu bringen. (S. 161 – 177)

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Wissensmanagement bei der LGT Bank Liechtenstein
Auch hier schlägt der Trend von der Produkt- zur Kundenorientierung durch. Die relevante Wissensstruktur für den Kundenberater besteht in diesem Fall aus den Elementen
— Hintergrundsinformationen: erhältlich über Links etwa zum wirtschaftspolitischen Teil einer Tageszeitung
— Finanzinformationen: Börsenkurse etc.
— Anlagepolitische Informationen: zum Beispiel Marktanalysen
— Produktinformationen: spezielle Kredite etc.
Diese Bereiche wurden in ein hierarchisches, navigierbares Ablaufsystem umgesetzt. (S. 179 – 206)

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Smartnet als Kernstück des Intranet der Credit Suisse
Für das Intranet dieser großen Schweizer Bank wurde ein Publikations-Konzept (Intranet-Publishing-Prozess) entworfen, bei dem ein System von aktiven Rollen die Hauptrolle spielt. Es sind die mit bestimmten Aufgaben versehenen Rollen
— des Autors
— des Webmasters
— des Angebotsverantwortlichen
— und einer Redaktionskommission, die das System steuert.
Das sogenannte Smartnet ist konzipiert als ein auf die „Frontmitarbeiter der Bank“ zugeschnit-tenes Kernstück dieser Intranet-Organisation, das hochaktuelle Informationen zum Abrufen bereit hält; es ist noch in Entwicklung begriffen. Als hochgestecktes Ziel wird angegeben, dass der Frontmitarbeiter auf eine „natürlichsprachige“ Frage umgehend eine „natürlichsprachige“ Antwort erhält, z.B. auf die Frage: „Welches Angebot darf ich einer Witwe für eine Zweithypo-thek machen, welche die Ersthypothek auf ihrer Villa bei der Konkurrenz hat, deren Mann aber sein nicht unbeträchtliches Vermögen von der Credit Suisse verwalten ließ?“ (S. 229)
Man erhofft übersichtliche Antworten.

9
Zum Wissensmanagement bei BMW, wo insgesamt 1400 Mitarbeiter in der Daten-verarbeitung beschäftigt sind, wird über eine 1996 vom BMW-Vorstand initiierte Untersuchung zur Anwendung von Internet-Technologien berichtet. Dabei ging es um die Herstellung einer Wissensplattform für das BMW-Intranet. Folgende Bereiche haben sich herauskristallisiert:
* Unternehmensdienste: zum Beispiel Online-Terminvereinbarung für Winterbereifung mit entsprechender Kapazitätsplanung
* Wissenspool:
— Adressen
— Organigramme
— Daten zum Unternehmen
— Lexikon/BMW-Begriffe
— Pressemitteilungen
— Weiterbildungsangebote
— Infos für Privatbedarf der Mitarbeite (z.B. Gebrauchtwagenangebot)
* Spezielle Plattform (in einem Extranet) für Knowledge Management mit dem Ziel einer beschleunigten Fahrzeugentwicklung; dort auch ein Metamodell zur Verzeichnung der Wissensquellen (KnowledgeMap).
Auf der Basis der entsprechenden Informationen im Intranet können Online-Bestellungen getätigt werden: Ein Vertragshändler wählt (über Benutzererkennung und Passwort) gemäß den Wünschen seiner Kunden ein Fahrzeugmodell aus und bestimmt dabei Lackfarbe, Art der Sitze und Sonderausstattungen, wobei er auch eine neue Konfiguration eingeben kann. Geplant sind für die Rückmeldung aus dem Intranet bildliche Darstellungen der jeweils gewünschten Konfigurationen.
Die bisherigen Erfahrungen mit Online-Bestellungen gehen dahin, dass mit deutlich verkürzten Bestellzeiten, u.a. durch das Wegfallen der Durchsuchungen von Papierkatalogen, Kosten im Bestellvorgang eingespart werden. (S. 231 – 247)

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Das Verpackungsdesign der Migros: Knowledge Management in Business Networks
Geschäftliche Netzwerke auf der Grundlage der modernen Informationtechnologie, wird einleitend erklärt, haben große Marktchancen. Als ein Beispiel, wie sie zu nutzen versucht werden, wird die in England beheimatete Tochter Protodigm des Pharmakonzerns Roche genannt, die für jedes auf dem Markt einzuführendes Medikament ein virtuelles Unternehmen einrichtet. (S. 250)
Was Migros, die genossenschaftlich organisierte schweizerische Einzelhandelskette, anlangt, so ist dort ein Prozessnetzwerk für Verpackungsgestaltung in Entwicklung begriffen. Die Schritte der Entwicklung sind
(1) eine Schwachstellenanalyse bei der Gestaltung von Verpackungen
(2) eine Business Network-Strategie mit dem strategischen Eckpunkt der Auslagerung des graphischen Bereichs
(3) Herstellung einer Aufgabenkette für das Verpackungsdesign mit Dimension (a): Lebenszyklus des Design (Auftrag/Briefing, Entwurf, Realisation, Produktion) und Dimension (b): Rollenbestimmungen (z.B. Produktmanager, Verpackungsdesigner)
(4) Verpackungsdesign-Pilotprojekt mit den (Workflow-) Funktionen
— Aufträge erfassen/modifizieren
— Aufträge abfragen
— Dokumente hinzufügen/löschen
— Aufgabe abschließen/Informierung der nächsten Stelle.

Als Nutzen des neuen Systems wird angegeben:
— ein Gesamtüberblick ist abrufbar
— einzelne Aufträge (mit Zubehör) sind visualisiert darstellbar
— die Aufgabenabläufe werden optimiert
— insgesamt kürzere Durchlaufzeiten. „Dies bedeutet eine kürzere Time – to – Market.“ (S. 264)

14.11.2001; MF