Können Dinge mit uns reden?

Können Dinge mit uns reden?

Christoph Drösser schreibt in seinem Buch „Wenn die Dinge mit uns reden“ von Sprachassistenten, dichtenden Computern und Social Bots und erklärt nebenher, wie die darin enthaltene Künstliche Intelligenz (KI) funktioniert.

Duden Verlag 2020, ISBN978-3-411-74225-7

An dem Buch begeistert mich, dass der Autor die Fähigkeit heutiger KI-bestückter Computer nicht nur beschreibt, sondern auch als Vorwand nutzt, nebenher die moderne Technik Künstlicher Intelligenz zu erklären. Gewiss – es gibt Bücher, die es dem Laien leichter und verständlicher erklären. Aber wenn man schon einiges über KI weiß, geht dieses Buch doch deutlich tiefer. Außerdem hinterfragt es den Sinn von Anwendungen von KI im Umfeld von Sprache. Das ist ausdrücklich zu begrüßen.

Wenn Dinge mit uns reden, sprechen sie nicht nur Texte, sondern hören auch zu. Drösser beschreibt also, wie das Zuhören funktioniert, wie gesprochene Laute in Texte umgewandelt werden, und er beschreibt, wie Texte in gesprochene Sprache gewandelt werden. Beides geht heute schon ganz gut. Das war aber nicht immer so: daher beschreibt er auch, wie es sich historisch entwickelt hat.

Und er macht auch klar, dass die KI eben doch nicht zuhört, wenigstens nicht in einem tieferen Sinn. Damit ist gemeint, dass die KI nicht in unserem menschlichen Sinne versteht, um was es dabei geht. Die KI kann nur die Worte so ähnlich anordnen, wie sie in den Texten angeordnet waren, mit denen die KI trainiert wurde. Ich meine, das ist rein assoziatives „Denken“, wenn man überhaupt von Denken sprechen mag. Vielleicht sagen wir doch besser, es ist „einfaches Assoziieren“.

Er erklärt auch, dass zum Verstehen eben mehr gehört als reines Assoziieren von Worten. Auch wenn die Worte noch so gut assoziiert werden, entsteht dabei kein Verstehen. Zum Verstehen gehört immer, dass der Empfänger der Botschaft sich die genannten Begriffe hinter den Worten vorstellen kann. Das Wort „Begriff“ trifft es hier ganz gut, denn es deutet darauf hin, dass man damit etwas anfassen, begreifen, etwas damit machen kann. Zum Verständnis gehören die Erfahrung und der Umgang mit den angesprochenen Begriffen. Der Förster und sein Hund haben verschiedene Begriffe von einem Baum: der eine denkt an die (hoffentlich) herrliche Krone und wie der Baum möglichst so weiterwachsen kann, dass er irgendwann mal richtig viel Holz gibt – der andere denkt an das Pinkeln. Zum Verstehen gehört eben auch – mindestens teilweise – sinnliche Erfahrung.

Was man mit den Dingen machen kann, kann man in einer Ontologie darstellen, indem man die darin beschriebenen Objekte zueinander in Beziehung setzt. Die größte Ontologie ist derzeit Cyc und kommt auch im Buch von Drösser vor. Cyc enthält (mindestens teilweise) die Relationen von rund einer Millionen Objekte zueinander. Christoph Drösser wundert sich – wie auch ich – dass bisher niemand versucht hat, eine Ontologie und ihre Begriffswelt mit den Worten zu verbinden, die eine KI assoziiert. Man könnte schließlich erwarten, dass eine KI wirklich anfangen könnte zu verstehen.

Ich bin jedenfalls sicher, wenn man KI, die mit unseren Worten sprechen kann, mit einer passenden Ontologie kombinieren würde, hätten wir deutlich eher den Eindruck, dass die KI uns versteht.

Wäre das schlimm?

 

Über den Autor

Michael Mörike

Michael Mörike ist seit 2008 ehrenamtlich als Vorstand in der Integrata Stiftung tätig.

Als Informatikpionier führte er bereits während seines Studiums Projekte in der EDV durch. So richtete er beispielsweise 1969 Prozessrechner für die Uni Tübingen ein. Zwischen 1978 und 2000 war Michael Mörike in der Geschäftsführung verschiedener Unternehmen tätig (GDV 4 Jahre, Integrata 14 Jahre, itm AG 4 Jahre) bevor er zur Jahrtausendwende in den Stand des Freiberuflers wechselte. Als Projektleiter hat er so renommierte Projekte wie BTX und NIVADIS geleitet.