Bergmann, Jörg R. / Goll, Michaela / Meier, Christoph: Telekooperation – Strukturen, Dynamik und Konsequenzen elektronisch vermittelter kooperativer Arbeit in Organisationen (Abschlussbericht)

Bergmann, Jörg R. / Goll, Michaela / Meier, Christoph: Telekooperation. Strukturen, Dynamik und Konsequenzen elektronisch vermittelter kooperativer Arbeit in Organisationen, Abschlußbericht. Gießen 1999 (Institut für Soziologie, Universität Giessen Arbeitspapier „Telekooperation“ Nr. 8, September 1999). 28 Seiten (URL: http://www.uni-giessen.de/~g31047/bericht8.pdf).

Themen: Grenzen des Technologie-Einsatzes, Kommunikationsstile, Partizipation, Telekooperation, Unternehmensstruktur, Videokonferenz, Virtualisierung, virtuelle Unternehmen.

Abstract
Zusammenfassung der Ergebnisse einer kommunikationsanalytischen Untersuchung von technisch vermittelten Arbeitsprozessen. Im Rahmen eines DFG-Projekts wurden drei Fallstudien durchgeführt. Die Ergebnisse von zwei Fallstudien, forschungsmethodische Aspekte sowie offene Fragen und Probleme faßt dieser Bericht zusammen.

Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Untersuchung von Telekooperation
3. Telekooperative Arbeitsprozesse – Strukturen und Dynamiken
4. Fragestellungen für die weitere Forschungsarbeit
5. Berichte und Publikationen

Bewertung
Pionierarbeit zur praktischen Erprobung von Videokonferenzen.

Inhalt

1. Einleitung
Das Projekt fragt nach den besonderen Qualitäten telekommunikationstechnisch vermittelter Arbeits- und Kommunikationsprozesse sowie ihren Implikationen für das soziale System Organisation. Es werden zwei übergeordnete Ziele verfolgt. a.) Empirische Bestimmung der besonderen Merkmale von elektronisch vermittelter kooperativer Arbeit gegenüber Face-to-Face ausgeübter Arbeitstätigkeit. b.) Welche Konsequenzen für die inneren Strukturen ergeben sich über die wachsende Bedeutung elektronisch vermittelter kooperativer Arbeit?

2. Die Untersuchung von Telekooperation
Zunächst konstatieren die AutorInnen, daß die Untersuchung von sowohl synchron als auch asynchron realisierten kooperativen Arbeitsvollzügen ein neues Forschungsfeld darstellt. Daraus ergeben sich auch neue Anforderungen an qualitative Forschung (audiovisuelle Dokumentationstechniken und Transkriptionen der Datenaufbereitungsverfahren). Sie sehen neben den inhaltlichen Ergebnissen die Bedeutung ihres Projekts zugleich in der Erprobung und Weiterentwicklung entsprechender methodischer Verfahren. Dabei zeigt sich, daß die Adaption interpretativer Verfahren auf neue Gegenstandsbereiche nicht eins zu eins vorgenommen werden kann. Die Kombination und Integration verschiedener Verfahren (Kompositionsanalysen, Bildanalysen, Sequenzanalysen, Inhaltsanalysen und ethnosemantische Vorgehensweisen) wird erforderlich.

3. Telekooperative Arbeitsprozesse – Strukturen und Dynamiken
Das Anliegen der Fallstudie zur synchronen Telekooperation am Beispiel der Videokonferenzen einer Firma zielt auf die Erforschung der Eigenlogik (Interaktionseröffnung, Raumökologie, Handlungskoordination, Lesarten für Interaktionsstörungen, Beteiligungskonstellationen, Aktivitätsschwerpunkte, gleichzeitige Handlungen und Aktivitäten, standortbezogene Solidarisierungsdynamiken) dieses Typus von Interaktionssystem.
Im Falle der Fallstudie zur asynchronen Telekooperation am Beispiel verteilter Arbeit mit Gruppenprogramm und Intranet in einer Firma zeigt sich, neben dem die Aktivitäten koordinierenden Gruppenprogramm (Termine, aktive virtuelle schwarze Bretter sowie Wissensspeicher als Ablagesystem), insbesondere das Telefon als das am häufigsten genutzte Medium. Das ist die Konsequenz daraus, daß E-Mail sich nur zum Austausch, aber nicht zur Diskussion eignet. Mit Blick auf die soziale Struktur der Organisation bleibt auf Seiten der Akteure die hohe Bedeutung von Face-to-Face-Treffen für die Arbeit wie für die private Kommunikation festzuhalten. Darüber hinaus entwickelt sich auch im asynchronen Kommmunikationsmodus eine über die Arbeit hinausreichende intensive Beziehungspflege.

4. Fragestellungen für die weitere Forschungsarbeit
Im letzten Abschnitt werden weitergehende Fragestellungen zur Konzeption von Forschung zu Telekooperation und der Forschungsmethodik erörtert. Hinsichtlich der synchronen Telekooperation in Videokonferenzen stellt sich „nach wie vor die Frage nach den Folgen technisch bedingter Handlungsprobleme“ (Koordinierung und Synchronisierung von Handlungen: Zeitverzögerungen, Beteiligungskonstellationen und Beteiligungschancen, Entscheidungsprozesse, Prozesse des Organisierens und Herstellung von Vertrauen sowie Kollegialität). Als neue, inhaltliche Frage ergab sich das Problem der Erweiterung der möglichen Lesarten von kommunikativen Störungen (bisher als sprachliche Verständigungsprobleme, fehlende inhaltliche Übereinstimmung, als psychisches Problem) durch technische Probleme. Außerdem stellte sich die Frage ob die sequenzielle Organisation des Handelns in videovermittelter Mehr-Personen-Interaktion grundsätzlich gelockerter ist, wenn beispielsweise Fragen „dort“ nicht beantwortet werden und nun nach „hier“ weitergeleitet werden, oder ob sich hier lediglich Probleme des Etablierens und Aufrechterhaltens von Beteiligungskonstellation manifestieren.

07.03.2001; KS