Bertelsmann Stiftung / Heinz Nixdorf Stiftung (Hrsg.): Studium Online – Hochschulentwicklung durch neue Medien

Bertelsmann Stiftung / Heinz Nixdorf Stiftung (Hrsg.): Studium Online – Hochschulentwicklung durch neue Medien, Verlag Bertelsmann Stiftung Gütersloh 2000. ISBN 3-89204-483-X. 175 Seiten.

Themen: Best practice, Content-Management, Informationsdienste.

Abstract
Ein Expertenkreis unter Vorsitz von Peter Glotz teilt sich der Öffentlichkeit mit.

Inhaltsverzeichnis
(1) Einleitung (Glotz) — S. 9
(2) Zentrale Thesen des Expertenkreises — S. 13
(3) Szenario: Die Universität im Jahr 2005 (Encarnacao, Leidhold, Reuter) — S. 17
(4) Neue Technik verlangt neue pädagogische Konzepte (Hesse, Mandl) — S. 31
(5) Qualitätssicherung interaktiver Studienangebote (Glowalla, Grob, Thome)
— S. 51
(6) Standardisieren schafft Vorteile (Encarnacao, Kraemer, Scheer, Tsichritzis)
— S. 75
(7) Finanzierung virtueller Studienangebote (Glotz, Kubicek) — S. 103
(8) Hochschulentwicklung durch neue Medien (Brockhaus, Emrich, Mei-Pochtler)
— S. 139

Bewertung
Am Aussagekräftigsten erscheint ein Beitrag zu ausländischen (best practice-) Erfahrungen von Autoren, die dem Expertenkreis nicht angehören.

Inhalt

(1)
Einleitend stellt Glotz für den Expertenkreis fest, er sei zu der Überzeugung gekommen, dass „die neuen Medien einen nachhaltigen Einfluss auf das Bildungssystem entwickeln werden.“ Als zu lösende Probleme werden genannt: Herstellung einer nationalen Kooperation von Bund, Ländern, Hochschulen, Industrie; die Intellectual Property Rights; die Frage, wer für die Kosten der Verwendung neuer Medien im Hochschulbereich aufkommen soll und, damit zusammenhängend, das Problem — drastisch? — zu erhöhender Studiengebühren.

(2)
In zehn Thesen stellt der Expertenkreis seine Sicht der Hochschulentwicklung zusammen; charakteristische sind:
— Durch den Einsatz der neuen Medien werde es zu einem „Paradigmenwechsel von ‚push‘- zu ‚pull‘-Angeboten“ kommen; in andern Worten würden Initiativen ‚von unten‘ vorrangig werden, da die Studierenden künftig Inhalt, Ort und Zeit ihres Studiums selbst bestimmen würden.
— Die Hochschulen würden zu Agenten der „Wissenswertschöpfung“ werden, einem aus der „Content-Generierung“, der „Produktion von Tools“, der „Einbindung in ein pädagogisches Konzept“ und der „Distribution“ bestehender Prozess, in dem die Hochschulen jeweils selbst entscheiden müssen, welchen Part sie selbst übernehmen und welchen sie an Partner (Industrie) abgeben.

(3)
In einem Szenario für das Jahr 2005 wird ein „Thomas S.“ genannter Student, der zum zeitweiligen Begleiter der Schrift wird, auf seinem Bildungsweg begleitet: zuerst werde er zu einem „Bildungbroker“ gehen, der ihm die sich bietenden Perspektiven aufzeigt; dann müsse er, um zum Studium zugelassen zu werden, sich ein Profil seiner Neigungen und Potenziale erstellen lassen; die Wahl des speziellen Studiengangs werde er „nicht leichtfertig“ treffen, da er jährlich zwischen 3 000 und 15 000 Euro aufbringen muss (kein Problem, da sein vorausschauender Vater einen „Bildungssparvertrag“ für ihn angelegt hat), bis er endlich vom Bildungs-TÜV seine Lizenz für lebenslanges Lernen erhält.

(4)
„Neue Technik verlangt neue pädagogische Konzepte“ heißt der nächste Abschnitt, der nicht verrät, wer die neue Technik verlangt. Verraten wird nur, was jeder Spatz vom Dache pfeift: dass es Teletutoren geben wird, Vorlesungen im Internet erscheinen, Wissen modularisiert wird, Medienkompetenz gebraucht wird.

(5)
Interaktive Studienangebote müssen diesem Abschnitt zufolge qualitätsgesichert werden. Dies sei durch ein prozessorientiertes Controlling dieser Angebote zu gewährleisten, die einen in Entwicklungs- und Nutzungsphasen gliederbaren Lebenszyklus haben. Controlling-Analysen (mit Plan-, Ist- und Abweichungswerten) sollten die Entwicklung solcher Bildungsprodukte begleiten.

(6)
Der „Musterstudent“ Thomas S., so wird das 2005-Szenario des Abschnitts (3) wieder aufgenommen, hatte bis zum Vordiplom 36 Einzelleistungen von 24 Lehrstühlen an 12 Standorten erhalten und wird in den folgenden drei Semestern von 48 verschiedenen Teletutoren betreut. Da er nicht nur selbstbestimmt, sondern auch äußerst praxisnah lernt, will er zudem bei einem internationalen Unternehmen ein Praktikum absolvieren. Aber sein elektronischer Lernpass ist nicht kompatibel zur Skill-Datenbank des Konzerns…
Die Autoren leiten aus diesem dummen Zwischenfall die Forderung ab, die Architekturen der medialen Lernumgebungen zu standardisieren. Nötig sei dazu, eine technologische Infrastruktur zu entwickeln, mit vier Schichten (von oben nach unten):
1. Campus-Komponente — z.B. Informationsdienste;
2. Classroom-Komponente — Arbeitsbereich des Lerners und Tutors;
3. Produktionskomponente — Curriculum- und Content-Management;
4. Datenbankkomponente — z.B. Funktionsbibliotheken. (Abb. S. 89)
Zu standardisieren sei auch das Design medialer Lernumgebungen, in Form eines „design space“, der als „System von Softwarepatterns für den Gegenstandsbereich“ (Wissensinhalte oder Lernprozesse) beschreibbar sei. Als Grobstruktur für einen design space ist wird eine Matrix gezeigt, gebildet durch die Balken IuK-Plattform und Wissensplattform auf der einen Seite, die Balken Wissensinhalte und Wissensvermittlung auf der anderen (Abb. S. 91).

(7)
Jetzt wird es ernst, es geht ums Geld; so ernst, dass der Vorsitzende sich zu Wort meldet: Geld für eine „nationale Lern-Infrastruktur der Bundesrepublik Deutschland“, korrekter gesagt für die Ausstattung der bundesdeutschen Hochschulen mit Multimedia.
Wieder auf das Jahr 2005 hin orientiert wird, um zu Schätzwerten zu gelangen, mit vier Modellen gearbeitet, die sich steigern von einem anspruchslosen bis zu einem anspruchsvollen (in Bezug auf die Medienausstattung); das letztere würde bedeuten, dass die Studenten zu 70 % über Telemedien unterrichtet werden.
Gerechnet wird auf der Basis einer Institution mit 4000 – 5000 Studenten, 15 Professoren und 30 wissenschaftlichen Mitarbeitern, und es wird gefragt, wie sich die Kosten für die Institution je nach Modell jährlich aufgrund des Multimediaeinsatzes steigern würden. Hauptergebnisse: Jährliche Steigerung nach dem ersten Modell um 375 000 DM, Steigerung nach dem vierten Modell um 10 600 000 DM (S. 117 u. 131).
Differenziert wurden die Kosten nach den vorher diskutierten technologischen Infrastrukturkomponenten; danach würden beim ersten Modell die Classroom-Komponente und die Produktionskomponente etwa im Verhältnis 2:1 ins Gewicht fallen, während beim vierten Modell sich der Löwenanteil auf die Produktions-Komponente (sprich: Lernsoftware-Entwicklung) und die Campus-Komponente etwa im Verhältnis 4:1 verteilt (Abb. S. 137).
Wie solche Kosten aufgebracht werden sollen? Durch gezielte, große Kooperationen könnten sie gesenkt werden, wird gesagt; im übrigen ist es da wieder, das „Problem der Studiengebühren“ (Glotz).

(8)
Mit einem Blick ins Ausland endet die Schrift. Nach bestimmten Kriterien (im Wentlichen: Medieneinsatz, Lerneffektivität, Lehreffizienz, Routiniertheit) sind im Sinne von ‚best practice‘ eine Reihe von Hochschulen untersucht worden, die in der Nutzung von Lernmedien vorbildlich sein könnten. Zum Beispiel die 1997 gegründete „Next Generation University“: Mit einem beträchtlichen Einsatz an Wagniskapital werden von ihr betriebswirtschaftliche Kurse erstellt und für die Weiterbildung in Betrieben vermarktet. Sie gilt als sehr experimentierfreudig im Erproben neuer Lernformen, allerdings in sehr frühem Stadium. Ein weiteres Beispiel ist die als eine der besten Business Schools bekannte Wharton School: Dort werden neue Medien bewusst als Ergänzung zum Präsenzlernen und zur Entlastung von Routineaufgaben genutzt. Sehr geschätzt bei den Wharton-Studenten ist das preisgekrönte, benutzerfreundliche Intranet SPIKE, das u.a. dem Austausch von Kursmaterialien dient und generell die Kommunikation unter den Studenten fördert.

14.11.2001; MF