Meier, Christoph: Neue Medien – neue Kommunikationsformen? – Strukturmerkmale von Videokonferenzen

Meier, Christoph: Neue Medien – neue Kommunikationsformen? Strukturmerkmale von Videokonferenzen, in: Kallmeyer, Werner (Hg.): Sprache und neue Medien. Jahrbuch des Instituts für deutsche Sprache, 1999. Berlin 2000, S. 195-221. ISBN 3-11-016861-8. 220,00 DM. Vgl. a. Gießen 1998. Institut für Soziologie, Universität Giessen Arbeitspapier „Telekooperation“ Nr. 6. 31 S. (URL: http://www.uni-giessen.de/~g31047/meier_sb-ids.PDF).

Themen: Arbeitseffektivität, Arbeitszufriedenheit, Grenzen des Technologie-Einsatzes, Kommunikationsstile, Unternehmensethnographie, Videokonferenz.

Abstract
In diesem Beitrag werden besondere Merkmale der Interaktionsorganisation und -dynamik von Videokonferenzen beschrieben, indem vier kurze Passagen vorgestellt und analysiert werden.

Inhaltsverzeichnis
Vorbemerkung
1. Einleitung
2. Untersuchungen zu video-vermittelter Kommunikation und Interaktion
3. Die Fallstudie „Videokonferenzen bei Technics“
4. Beobachtungen zur Interaktion in Videokonferenzen
5. Eine neue Kommunikationsform?
Literatur

Bewertung
Methodologisch sowohl für die qualitative Sozialforschung als auch kommunikationsanalytisch interessanter Einstieg in die Erforschung von Videokonferenzen. Für Praktiker insbesondere im Hinblick auf die konkrete Gestaltung von Videokonferenzen nützlich.

Inhalt

Vorbemerkung u. 1. Einleitung
Videokonferenzen stellen eine neue Kommunikationsform dar. Obwohl kombinierte Ton-Bild-Verbindungen seit etwa 60 Jahren technisch möglich sind, ist noch längst nicht geklärt, inwiefern Videokonferenzen sich von herkömmlichen Besprechungen unterscheiden. Sie weisen eigene Merkmale und eine eigene Dynamik auf. Das bedeutet, sie sind nicht für alle Besprechungsaktivitäten gleich geeignet. Für die Darstellung (im WWW) präsentiert der Autor Ausschnitte der untersuchten Materialien gegenstandsnah in Form von kurzen Videoclips und will auf diese Weise die Ergebnisse nachvollziehbar und überprüfbar machen.

2. Untersuchungen zu video-vermittelter Kommunikation und Interaktion
In einem Forschungsüberblick referiert der Autor widersprüchliche Ergebnisse der bisherigen Forschung zu videovermittelteter Kommunikation (vvK) in Bezug auf Arbeitsergebnisse, Arbeitszufriedenheit und den sprachlichen Austausch. Einheitlich fallen die Ergebnisse im Hinblick auf die festgestellten Polarisierungen bzw. Blockbildungen („uns hier“ und „denen dort“) im Kommunikationsprozeß aus.

3. Die Fallstudie „Videokonferenzen bei Technics“ / 4. Beobachtungen zur Interaktion in Videokonferenzen
Die Fallstudie „Videokonferenzen bei Technics“ ist eine Besprechungsrunde, deren Mitglieder den Bereich Dienstleistungen innerhalb der Firma repräsentieren. Zwölf Personen tagen regelmäßig. Ziel ist die Koordinierung der beteiligten Manager. Bisher traf man sich alle 14 Tage an zwei verschiedenen Orten. Grundlage der Analyse sind die Aufzeichnung von vier Videokonferenzen und einer Face-to-Face-Besprechung sowie einige informelle Gespräche mit Beteiligten. An dieser Stelle erfolgt eine Erörterung der Struktur der audiovisuellen Dokumentation sowie zur Analysenmethodik.
Zu den besonderen Merkmalen von Videokonferenzen gehören:
Die veränderte Ökologie des Besprechungsraums durch die Positionierung der sitzungsleitenden Person in der Nähe des Videokonferenzsystems. Damit verknüpft ist eine veränderte Funktion von Blickzuwendung, die Einschluß- und Ausschlußmöglichkeiten durch die Lautstärke des Sprechens im Zusammenhang mit dem Etablieren von Beteiligungskonstellationen „hier“ wie „dort“ sowie die eingeschränkte Transparenz von Handlungen „hier“ für die Beteiligten „dort“. Letzteres beschreibt der Autor am Beispiel der offensichtlichen Schwierigkeit, sich an beiden Orten gemeinsam zu amüsieren und zu lachen; eine Aktivität, die eine besonders feine Koordination der Beteiligten erfordert.
Bemerkenswert sind aber auch die zeitweise holprige Interaktionsqualität aufgrund der technisch bedingten Zeitverzögerung und die Schwierigkeiten, sich von „hier“ aus in eine kontroverse Diskussion „dort“ einzuschalten.

5. Eine neue Kommunikationsform?
Der Autor läßt am Schluß offen, ob es sich bei Videokonferenzen um eine neue Kommunikationsform handelt. Er vermutet allerdings, daß sich weniger eine soziale Form „Videokonferenz“ herauskristallisiert, als vielmehr eine Ansammlung von Formen im Begriff ist, sich zu entwickeln, die „Familienähnlichkeiten“ (S.216) mit herkömmlichen Besprechungen aufweisen. Wesentlich sind: Räumliche Ökologie, Verfahren der Eröffnung und Beendigung, Aufmerksamkeitsfokussierung und Management der Beteiligung.

08.03.2001; KS