Welche KI muss in den Giftschrank?

Künstliche Intelligenz wird heute bereits von Herstellern zum Download angeboten. Und niemand weiß, wie diese Systeme tatsächlich lernen.

von Georg-Ludwig Verhoeven

Im oft hochgesicherten „Giftschrank“ werden üblicherweise Gegenstände aufbewahrt, von denen eine Bedrohung ausgeht, wenn sie in die falschen Hände geraten. Gifte, die in der richtigen Dosis heilen, in der falschen töten, aber auch andere gefährliche Substanzen und Gegenstände wie Viren, radioaktive Präparate oder Bücher und Dokumente, die einem bestimmten Personenkreis gefährlich werden können, wenn sie an die Öffentlichkeit geraten. Nur mit besonderer Qualifikation, oft mit behördlicher Genehmigung und nach ausgiebiger Überprüfung, hat man Zugang zu den Inhalten des Giftschranks.

Wenn wir heute lesen, was KI alles anrichten kann, wenn sie „freigelassen“ wird, dann läuft uns ein Schauer über den Rücken: KI steuert Autos, die im Zweifelsfall selbständig entscheiden, wer bei einem Unfall getötet wird; KI wertet Personalakten aus, die über den Arbeitsvertrag und damit die Zukunft eines Menschen entscheiden, KI klassifiziert Fotos von Menschen nach Merkmalen (Hautfarbe, Alter, sexuelle Orientierung), die in einer Kriminalfahndung zur Verhaftung und zu einem Anfangsverdacht führen können. In letzter Konsequenz nimmt KI unsere Arbeitsplätze weg und übernimmt die Herrschaft über den Menschen. Prominente reden davon, dass KI eine größere Gefahr als die Atomkraft darstellt.

Die andere Seite ist, dass Hersteller von KI ihre Werkzeuge und Systeme auf dem Markt frei anbieten, teilweise sogar bereits angelernt. Kunden können diese Komponenten benutzen, teilweise sogar frei herunterladen und in ihre eigenen Systeme einbauen. Niemand weiß, wie die KI-Systeme genau funktionieren, wie sie angelernt wurden und wie sie entscheiden werden.

Soviel ist sicher: Mit der Entwicklung und dem Einsatz von KI stehen uns extrem leistungsfähige Systeme zur Verfügung, deren Potenzial, aber auch deren Gefahren wir heute allenfalls erahnen. Wer an der Entwicklung dieser Technologie teilnimmt, muss sich dessen bewusst sein und Verantwortung für das übernehmen, was hier auf die Menschheit losgelassen wird. Und das, bevor es verbreitet und letztlich aus dem Einflussbereich des Herstellers entlassen wird. „Be safe, not sorry!“ Solange KI-Systeme LKWs für Verkehrszeichen halten und Fotos von Menschen auf der Basis alter Vorurteile auswerten und klassifizieren, sind sie nicht geeignet, in der Alltagswelt eingesetzt zu werden.

Und gehören in den „Giftschrank“, nicht in den Downloadbereich des Herstellers.