Sprenger, Reinhard K.: Aufstand des Individuums – Warum wir Führung komplett neu denken müssen

Sprenger, Reinhard K.: Aufstand des Individuums – Warum wir Führung komplett neu denken müssen, Campus Verlag Frankfurt/New York 2000. 297 Seiten.

Themen: Auswahl, Führung, Leistungsbeurteilung, Personalentwicklung.

Abstract
Der namhafte Unternehmensberater und Autor („Mythos Motivation“) zeigt Wege zum kreativen Arbeiten in Unternehmen auf.

Inhaltsverzeichnis
Einleitung – S. 11

I Das egalisierende Unternehmen oder die Krise hat einen Namen – S. 23
Unternehmertum im Unternehmen – S. 52
360-Grad-Beurteilung – S. 63
Coaching – S. 75
Leistungsbeurteilungen – S. 80
Mitarbeiterbefragungen – S. 97
Personalentwicklung – S. 107
Team-Dreams, Dream-Teams – S. 126
Zielvereinbarungen – S. 143
Training – S. 161
Identifikation – S. 170

II Das individualisierende Unternehmen oder Menschen führen zum Erfolg – S. 179
Führung – S. 187
Störung – S. 197
Auswahl – S. 204
Einsatz – S. 216
Bindung – S. 225
Ergebnisse – S. 234
Entscheidungen – S. 266
Bildung – S. 273
Individuelle Führung – S. 279 – 292

Bewertung

Ein humanes Ökonomie-Buch mit der Botschaft, dass es sich lohnt, Mitarbeiter nicht mehr wie Werkzeuge zu benutzen.

Inhalt

I Das egalisierende Unternehmen oder die Krise hat einen Namen
Es ist gut sich daran zu erinnern, dass jeder seinen eigenen Träumen folgt. — Um dieses Satzes willen, der von einem Häuptling der Hopi stammt, schrieb Sprenger seine Einleitung.

„Lean management“, „Lernende Organisation“, „Wissensmanagement“, „Reengineering“ (Neo-Taylorismus) sind Beispiele für Initiativen, mit denen Manager seit Jahren gejagt werden; jede enthalte ein Körnchen Wahrheit. Doch die Gesamtbeurteilung von Sprenger ist deutlich: „Eine Managementmode nach der anderen wird lauwarm abgefedert und letztlich zur Seite gelegt. Sie funktionieren einfach nicht. Die Unternehmen sind voller Widerstand. Entsprechend unzufrieden ist man mit den Resultaten.“ (S. 25)
Trotz allen strukturellen Wandels sei das Grundmuster, in dem Organisationen gedacht werden, weitgehend unangetastet geblieben. Im Grunde, behauptet Sprenger, werden Organisationen als Maschinen angesehen. „Die Grundfigur, die Organisation zu verabsolutieren und den Menschen daran anzuflanschen, ist jedenfalls trotz gegenteiliger Beteuerungen erstaunlich veränderungsresistent.“ (S. 29)
„Im alten Paradigma sucht und schafft die Organisation sich Menschen, die sich ein- und anpassen. Sie sind Mittel zum Zweck: vordefinierte Stellen zu besetzen, fremdgesetzte Aufgaben zu lösen, die Erfordernisse der Organisation zu erfüllen. Der Mensch ist sich nicht selbst zum Zweck, sondern Werkzeug. Er ist nicht Partner, sondern Erfüllungsgehilfe.“ (S. 31)
Dass Organisation als solche zum Thema wird und von verschiedenen Seiten in die Zange genommen wird, hat nach Sprenger verschiedene Gründe. Als erstes nennt er die starke Individualisierung in unserer Gesellschaft während der jüngsten Vergangenheit; desweiteren der gegenwärtige ungeheure Innovationsdruck, der die traditionellen Strukturen infrage stellt; dann die hoch differenzierten Arbeitsmärkte mit einer alternden Erwerbsbevölkerung und einem anwachsenden Arbeitskräftemangel; die Globalisierung, wodurch die Individualität der Unternehmen herausgefordert wird; schließlich „das Wegbrechen der Karriereleiter, die früher Organisation und Individuum lebenslang miteinander verband.“ (S. 43)

Unternehmertum im Unternehmen
‚Sei Unternehmer‘, dieser Mobilisierungsappell präge heute wie kein zweiter die Führungskul-turen in den Unternehmen. Und Sprenger stellt die Frage, ob es überhaupt redlich ist, von Angestellten Unternehmertum zu verlangen. Denn das machtlogische Charakteristikum von wirklichen Unternehmern sei ihre Gleichrangigkeit, darin begründet, dass sie nur sich selbst rechenschaftspflichtig sind. Das ‚Sei Unternehmer‘ erzeuge bei Angestellten nur die Illusion der Unabhängigkeit, nur den Sound der Selbstverantwortung, das, was Sprenger einen „Bonsai-Unternehmer“ nennt. Wenn wirkliches Unternehmertum verlangt werde, dann müsse dies konsequenterweise unter den Bedingungen wirklicher Unternehmer geschehen; und deren Element sei nicht das Managen (mit allen Sorgfaltspflichten), sondern das experimentelle Leben. (S. 52 – 62)

360-Grad-Beurteilung
Die 360-Grad-Beurteilung, eine für die Beurteilung israelischer Militärs entwickelte Rundum-beurteilung (jeder beobachtet jeden), die jetzt in der Wirtschaft wieder floriert und wegen ihres ‚Netzwerkcharakters‘ hoch im Kurs steht, ist Thema des nächsten Abschnitts. Ein Hauptkritikpunkt von Sprenger: Wenn Hierarchien bestehen, dann ergeben sich nur aus top – down-Beurteilungen praktische Folgen. Bottom -up-Beurteilungen, und ebenso solche von der Seite, bleiben dagegen konsequenzlos und haben insofern keine Funktion mit Ausnahme der Funktion, den Schein von Demokratie zu erzeugen. (S. 63 – 74)

Coaching
Coaching — oder wie man aus Unternehmen Kindertagesstätten macht — ist die nächste Überschrift. Sprenger spricht hier vom sogenannten Coaching, wo der „Coach“ typischerweise zugleich ein Chef ist und wo der „Gecoachte“ ebenso typisch wie ein Bedürftiger, wenn nicht gar wie ein Patient behandelt wird.
„Unter dem Namen ‚Coaching‘ wird nichts anderes als das alte Erziehungsparadigma wiederbelebt.“ (S. 76) In aller Regel solle ein Mitarbeiter dahin ‚gezogen‘ werden, wo eine Führungskraft ihn haben will nach dem Motto: ‚du sollst der werden, der ich dir zu sein erlaube.‘ Eine noch lisigere Version des „Coaching“ beschreibt der Autor so: ‚Ich weiß, was gut und richtig ist, aber ich sage es dir nicht, sondern du musst es selber herausfinden.‘ In den Unternehmen, dies wird in dem Abschnitt betont, bestehe kein Erziehungsauftrag, ebensowenig ein Therapie-Vertrag, sondern ein Kooperationsvertrag zwischen Erwachsenen.

Leistungsbeurteilungen
Leistungsbeurteilungen.

Verhalten von X
+ Wahrnehmung (Y)
+ Bewertung (Y)
————————
Urteil über X

Mit diesem Schema illustriert der Autor die subjektiven Anteile (Y) von Leistungsbeurteilungen. Oder in Prosa: „Eine Beurteilung illustriert vorrangig die Einflussnahme und die Perspektiven des Beurteilers.“ (S. 91) Sprenger wendet sich damit gegen übermäßige Versuche, Leistungs-kriterien zu verobjektivieren bzw. transparent machen zu wollen. Nach seiner Meinung werden Leistungsbeurteilungen innerhalb von Unternehmen in die Zukunft hin zunehmend unbedeutend, weil jeder laufend ein unmittelbares Feedback über seine Leistung erhält. (S. 95)

Mitarbeiterbefragungen
Mitarbeiterbefragungen hält der Autor dann für sinnlos, wenn die Befragten damit nur aufge-wertet werden sollen; die Enttäuschungen würden dann regelmässig auf dem Fuße folgen, weil die Befragten merken, dass ihre Antworten folgenlos bleiben.
Im übrigen rät er bei Scheinbefragungen: „Antworte niemandem, der lauert!“ (S. 100)

Personalentwicklung
Personalentwicklung oder wie man mit guten Absichten den Weg zur Hölle pflastert
Hier habe man einen Fall, wo schon der Wortklang aufschlussreich sei; ‚Personal‘ atme den Geist der Masse, des Gesichtslosen, wofür der ‚Personaleingang‘ bei den Mülltonnen da ist. Und ‚Entwicklung‘ des Personals bedeute in aller Regel Ausprägung von Konformität. „These: Personalentwicklung ist Teil des Problems, als dessen Lösung es sich ausgibt. Ihre bare Existenz definiert Individualität als Krankheit, die durch sie zu heilen wäre.“ (S. 108)
Positiv gewendet und auf die Zukunft angelegt gehe es darum, „den Einzelnen in die Verant-wortung für seine persönliche Entwicklung und Weiterbildung zu setzen. Es ist auch eine Investition in seinen Wert auf dem Arbeitsmarkt und macht zudem das Leben bunt und facetten-reich. Eine wohlbegründete Personalentwicklung wird daher vor allem selbstgewähltes Lernen ermöglichen müssen.“ (S. 121)

Team-Dreams, Dream-Teams
Team-Dreams, Dream-Teams oder wie man Kreativität verhindert. Teams in hierarchischen Unternehmen, sagt Sprenger, sind ein Widerspruch in sich, zumindest aus zwei Gründen. Einmal, weil ein horizontales Gebilde wie ein Team in einer vertikalen Struktur quasiautomatisch zu Schieflagen führt. Zum Zweiten, weil in Teams, die in Laufbahnen eingebunden sind, Konkurrenz entsteht; darauf seien Teams aber nicht angelegt, sondern auf eine sich immer wieder neu herstellende Arbeitsteilung.
Was Sprenger an dem beinahe sakrosankten Teambegriff am meisten interessiert, ist die Behauptung, ein Team sei die kreativste Form des Zusammenwirkens. Dem widerspricht er mit der pointierten Behauptung, dass Meetings das Herzstück des Teams seien, aber der Tod der Zusammenarbeit, und mit ihr der Kreativität.
Die Entität der Kreativität sei das Individuum. Das habe auch eine Kienbaum-Studie gezeigt, bei der sich herausgestellt hat, dass in über 90 % erfolgreicher Entwicklungsprozesse irgendein Einzelner mit Leidenschaft seine innovative Idee vorangebracht hat (S. 137) In der Regel braucht er nach Sprenger aber andere, mit denen er gleichsam wie mit verschiedenartigen Spiegeln dialogisieren kann; aber nicht im Team, sondern in bloßer Zusammenarbeit. Der Unterschied ist subtil, doch für Sprenger sehr wichtig:
Teams seien relativ stabile, verpflichtende Organisationsformen, Zusammenarbeit (Partnerschaft) demgegenüber fluider, spontaner, gewissermaßen freiwilliger. Den Unterschied habe am besten vielleicht Robert Oppenheimer auf den Punkt gebracht, den er (S. 140) zitiert: „Wir haben zusammengearbeitet, aber wir hätten uns niemals als Team bezeichnet. Für Teamsitzungen hatten wir einfach keine Zeit … Jeder hat mit jedem gesprochen, und jeder konnte zu jedem gehen, wann immer ihm danach war und wann immer er einen Gesprächspartner brauchte.“

Zielvereinbarungen
Zielvereinbarungen
— werden (üblicherweise) nicht vereinbart, sondern diktiert
— verengen den Leistungsbegriff
— sind inflexibel
— verleiten zu kurzfristigem Aktionismus
— kommen aus mangelndem Vertrauen
So charakterisiert Sprenger die sogenannten Zielvereinbarungen, die er Zielverhinderungsziele nennt. Sinnvolle Zielsetzungen dürften keine Verlierer in sich bergen und sollten etwas Gedeihliches enthalten.
„Für Unternehmen ist immer wieder zu betonen, dass nicht das Ziel den Weg rechtfertigt; es ist genau umgekehrt: Der Weg rechtfertigt das Ziel. Die Freude am Mitmachen, Motivation und Leistungsbereitschaft entwickeln sich nicht durch Ziele oder das umgreifende Visionsgeraune, sondern in der personalen Erfahrung des gemeinsamen Wegs. … Nicht Ziele halten Menschen zusammen, sondern Wege.“ (S. 146 f)

Training
Wo hier die Psychologie bzw. die Rezeption der Psychologie im Wirtschaftskontext im Vordergrund steht, werde viel Schlimmes angerichtet. Das Problem sei, dass man mit psychologischen Mustern von einer Meta-Ebene aus die zu Führenden ansprechen kann, wodurch die Gespräche den Charakter des übereinander Sprechens anstelle des miteinander Sprechens bekämen.
Besonders gefährlich sei die „instrumentelle Grundhaltung psychologischer Mitarbeiter(irre)-führung“. Tpischerweise entstehe sie dort, wo psychologische Denkmuster nicht als Anleitung zur eigenen Lebensführung, sondern als Instrument zur Führung anderer gebraucht bzw. missbraucht werden. (S. 161 – 169)

Identifikation
„Wissen die Unternehmen eigentlich, was sie den Mitarbeitern zumuten, wenn sie Identifikation fordern? Nein, sie wissen es nicht. Als 15-Jähriger, da ist es in Ordnung, sich lebensgroße Poster von Ronaldo … ins Zimmer zu hängen. Aber mit 30? In diesem Alter sollte man ausschließlich mit sich selbst identifiziert sein, wenn man eine ärztliche Behandlung auf Schizophrenie vermeiden möchte.“ (S. 172)
Sprenger empfiehlt, die Gründe bei sich zu suchen, warum man auf dem „gemeinsamen Spielfeld“ eines Unternehmens mitmachen (oder auch nicht mitmachen) möchte. Damit werde die „Gesinnungsnötigung der Identifikation“ überflüssig.

II Das individualisierende Unternehmen oder Menschen führen zum Erfolg
Der zweite Teil des Buchs wird eingeleitet mit einer Reflexion über Macht, die „mächtigste“ Idee des Wirtschaftslebens. Vieles wende sich derzeit im wirtschaftlichen Leben, und am Horizont erscheine eine neue Macht: „die Macht der Idee“.
Wie die Internet-Ökonomie funktionieren wird, könne man noch nicht sagen, aber erste Muster zeichneten sich ab: Geist zählt mehr als Material; Schnelle Reaktion ist wichtiger als Routine; das Wort „direkt“ hat Hochkonjunktur.
Als einen der wichtigsten Unterschiede zur alten Industriegesellschaft sieht Sprenger, dass man Kapital in Form von Fabrikgebäuden etc. besitzen kann, ‚Menschenkapital‘ dagegen nicht; verliert ein Unternehmen etwa einen erfindungsreichen Mitarbeiter, geht dessen Erfindungs-reichtum mit verloren.
Deshalb drehe sich jetzt alles um den Gewinn guter Mitarbeiter, die ihrerseits mehr und mehr wählen könnten, wo ihnen das Arbeitsklima behagt und wo nicht. „Die Art und Weise, wie Menschen miteinander umgehen, wird zum entscheidenden Erfolgsfaktor.“ (S. 186)

Führung
Sprenger hält nicht viel von den vielen Büchern über Führungsqualitäten und Führungs-persönlichkeiten. Die besten Führungskräfte, sagt er, zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihren eigenen Weg gehen.
„Führende“ — dies in Deutschland auszusprechen, sei etwas peinlich — „haben Folgende.“ Dies sei das Grundgesetz. Nur wo es freiwillige Gefolgsleute gibt, findet Führung statt; in der freiwilligen Gefolgschaft habe die Führerschaft demnach ihre Existenzberechtigung.
Wieder arbeitet Sprenger einen subtilen Unterschied heraus, den er für bedeutsam hält, den von Vorgesetzter und Führungskraft. Ein Vorgesetzter ist danach Produkt einer Organisations-struktur, mit einer Positionsautorität, die legalisiert ist. Eine Führungskraft hingegen kann, aber muss nicht aus einer Organisationsstruktur hervorgehen; denn ihre Akzeptanz entspringt nicht der Position, sondern der Person. Sie wird von den Geführten legitimiert. „Eine Führungskraft muss von den Geführten anerkannt werden, will sie Erfolg haben. Das bedeutet, dass die Gründe, aus denen sie akzeptiert wird, die Gründe der Mitarbeiter sind. (S. 190 f)
Wie bei anderen verletzlichen Beziehungen, so Sprenger weiter, muss auch in der Führer – Geführte-Beziehung Nehmen und Geben im Gleichgewicht sein bzw. sich als solches immer wieder herstellen. Nimmt man einen solchen Fluss der Beziehung ernst, dann hieße die zentrale Führungsfrage: ‚Was kann ich tun, um dich, Mitarbeiter, zu unterstützen?‘ (S. 192)
Mit dem Amerikaner Warren Blank sieht Sprenger Führung als einen Prozess von Ereignissen, die einen Anfang, eine Mitte und ein Ende haben. „Das Drama beginnt dann, wenn wir das Auf und Ab zu einem ewigen ‚Oben bleiben‘ pervertieren. … Wenn wir uns nicht abwählen können, können wir uns auch nicht wählen. Wenn wir nicht Nein zueinander sagen können, können wir auch nicht Ja sagen.“ (S. 193)

Störung oder der Weg aus der Erfolgsfalle
Wozu Unternehmen? Diese Frage werde im Allgemeinen ohne Schwierigkeiten beantwortet, weil ziemlich klar ist, dass man gemeinsam etwas erreichen kann, was alleine nicht zu schaffen ist.
Wozu Führung? Diese Frage bereite bei uns große Schwierigkeiten, weil meistens nicht gesagt werden kann, was man als Führender eigentlich tut.
„Führungskräfte koordinieren menschliche Energien auf dem Weg der Leistungsentstehung. Dabei wird unterstellt, dass das jeder Einzelne für sich oder die Gruppe insgesamt alleine nicht leisten könnte. Führungskräfte sind also Kooperationsparasiten. Sie leben von der Unfähigkeit der Menschen, sich selbst zu organisieren, selbst zu entscheiden, miteinander klarzukommen. (S. 197)
Die „Erfolgsfalle“ besteht für Sprenger darin, zu wiederholen, was sich ein andermal bewährt hat. Als Prävention, sich eines Tages nicht in dieser Falle zu finden, weil man den Wandel der Zeiten nicht bemerkt hat, empfiehlt Sprenger — und zwar als Aufgabe einer Führungskraft — die von ihm etwas provokativ so genannte „Störung“. Gemeint ist ein Verhalten, das immer wieder Wichtiges infrage stellt, vor allem bestehende Strukturen, und damit an die Mitarbeiter „Zumutungen“ stellt.
Die Begründung dieses unorthodoxen Vorschlags: Indem man ihnen etwas zumutet, eröffnen sich für die Mitarbeiter Handlungsalternativen; wenn es echte Wahlmöglichkeiten sind, dann werden sie hinter ihrer Wahl stehen und, wie immer der Weg ausgefallen ist, ihn ‚mit Herz‘ verfolgen. (S. 199 ff)

Auswahl
„Eine kluge, sensible Personalauswahl berücksichtigt, worauf die Leidenschaft des Bewerbers ohnehin zielt.“ Wichtige Fragen seien etwa: ‚Wo arbeitet der Betreffende mit innerem Hochgefühl ?‘ ‚Bei welcher Tätigkeit springt sein innerer Motor an.‘ S. 207)
Für die Sicherung des Überlebens eines Unternehmens sei die Diversität der Mitarbeiter von großer Bedeutung; sie trage auch dazu bei, dass ein Optimum an Informationen verarbeitet werden kann.
Einer der größten, doch typischsten Fehler sei in dem englischen Sprichwort ausgedrückt: „Hired by ability, fired by personality.“ (S. 210)
Sprenger würde sich hinter den Slogan einer erfolgreichen amerikanischen Bank stellen, der lautet: „Zuerst kommen die Mitarbeiter, dann die Kunden, danach die Aktionäre.“ (S. 212)

Einsatz
„Probleme fordern uns nur heraus, wenn sie uns etwas angehen.“ Jeder suche sich die Aufgabe, die ihn innerlich wachsen lässt, sonst sei er schon einen Schritt in die innere Kündigung gegangen. (S. 221 f)

Bindung
1999 wurde in Amerika eine große Befragung durchgeführt mit dem Ziel, Korrelationen zwischen Einstellungen von Mitarbeitern und guten Unternehmensergebnissen zu finden. Folgende Einstellungen korrelierten hoch:
— Die Behauptung einer Mehrheit von Mitarbeitern, täglich ihr Bestes geben zu können
— Das Gefühl, dass ihre Meinung zählt
— Der Glaube, dass auch die Kollegen sich auf Qualität verpflichtet haben
— Der Stolz auf die Arbeit in dem Unternehmen
Führungsarbeit, sagt Sprenger, könne zu solchen Einstellungen beitragen (S. 232 f)

Ergebnisse oder warum Menschen nur das tun, was sie wollen
Die Ausführungen münden in folgende Sätze: „Was mithin ansteht, ist der Wechsel von einer beherrschenden Fürsorge zu einer befreienden Aufmerksamkeit. Unter den Bedingungen der Gegenwart heißt das, den Mitarbeiter bei Schwierigkeiten gerade nicht aus der Verantwortung herauszunehmen. Es heißt, ihn zu ehren, ihm etwas zuzutrauen, keine bedingungslose Verpflichtung aus einem Rollenverständnis heraus, sondern ein feingestimmtes Gefühl für Angemessenheit, die Autonomie des anderen zu erhalten, seine Andersheit wirken zu lassen.“ (S. 264)

Entscheidungen
Nicht nur runde Tische brauche man, sondern auch kantige Entscheidungen.

Bildung
Wenn man Führung nicht als Ergebnis abstrakter Persönlichkeitsmerkmale, sondern als zwischenmenschlichen Prozess auffasst, ergibt sich für Sprenger, dass man Führen nicht lernen kann. Jeder muss auf seine Weise führen.
Doch gäbe es Bildungsmaßstäbe, die dem Führen eine Richtung geben können; allen voran wird Maß und Mitte genannt.

Individuelle Führung
Dabei geht es nicht darum, eine Person einer Stellenbeschreibung anzupassen, sondern die Situation dem Individuum anzupassen.
Menschen begegnen, nicht sie behandeln; sie nicht zurichten, sondern stärken …
„Was wir also brauchen, ist nicht mehr oder weniger Führung. Wir brauchen eine starke Führung, die den Wandel, den Zweifel, das Widersprüchliche begrüßt, die das Individuelle nicht als Bedrohung erlebt, die selbstverantwortliche Menschen schätzt, die Unsicherheit als Chance begreift.“ (S. 283)

03.10.2001; MF