Sandmann, Patrick: Telearbeit – Impulse für eine zukunftsfähige Regionalentwicklung?

Sandmann, Patrick: Telearbeit – Impulse für eine zukunftsfähige Regionalentwicklung? Fallbeispiele aus dem Silicon Valley und Los Angeles für „Lernende Regionen“. Dissertation der Ruhr-Universität Bochum 2000. 339 Seiten. CD-ROM.

Themen: Alternierende Telearbeit, Diffusion, Geographie, ökologische Ressourcen, Personalmanagement, Qualifikation, Regionalentwicklung, Unternehmenskultur/Betriebsklima.

Abstract
Die Untersuchung stellt Telearbeit in einen umfassenderen regionalentwicklungstheoretischen und -strategischen Zusammenhang. Es werden vor allem Chancen und Gefährdungspotentiale der Telearbeit für die Regionalentwicklung betrachtet. Das Ziel besteht in der Entwicklung von Handlungsempfehlungen für die Regionalpolitik. Dabei dient die zukunftsfähige Regionalentwicklung als perspektivisches Leitbild.

Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1. Einleitung (1-37)

Teil A: Theorie und Konzeption (38-147)
2. Telearbeit als neue Arbeitsform in der Informationsgesellschaft (38-62)
3. Wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und technischer Kontext der Telearbeit (63-90)
4. Telearbeit und Wettbewerbsfähigkeit (91-112)
5. Telearbeit und Impulse für den Arbeitsmarkt (113-129)
6. Telearbeit und Auswirkungen auf die Umwelt (130-135)
7. Impulse für eine zukunftsfähige Regionalentwicklung durch Telearbeit? (136-147)

Teil B: Empirie (148-219)
8. Telearbeit in den US-amerikanischen Referenzregionen (148-189)
9. Telearbeit in Deutschland und der Europäischen Union (190-215)
10. Vergleich zwischen den USA und Deutschland (216-219)

Teil C: Handlungsempfehlungen (220-282)
11. Das Konzept der Lernenden Region (220-247)
12. Telearbeit in der Lernenden Region: Handlungsempfehlungen (248-270)
13. Zusammenfassung, kritische Bewertung und Ausblick (271-282)
Quellen- und Literaturverzeichnis (283-313)
Anhang (314-323)

Bewertung
Eigentlich eine sehr ausgewogene Erörterung der Ambivalenzen möglicher Entwicklungspotentiale von Telearbeit. Die häufige Entscheidung für die Wahrscheinlichkeit positiver Entwicklungen erscheint aber nicht immer ausreichend begründet, sondern manchmal war dabei auch der Wunsch der Vater des Gedankens.

Inhalt

1. Einleitung
Die Untersuchung nimmt mit Los Angeles und Silicon Valley die Regionen in den Blick, die weltweit den größten Bestand an Telearbeitsplätzen aufweisen. Effekte der Telearbeit (TA) auf die Regionalentwicklung und die spezifischen Rahmenbedingungen (Förderpolitiken, Diffusion von IuK-Technologien und regionale Mentalitäten) stehen im Mittelpunkt. Die Studie umfaßt einen theoretisch-konzeptionellen Teil A, einen empirischen Teil B sowie einen handlungsorientierten Teil C (Schlußfolgerungen/Empfehlungen für die Regionalpolitik).

Teil A: Theorie und Konzeption / 2. TA als neue Arbeitsform in der Informationsgesellschaft
TA kommt vor allem bei informationsverarbeitenden Tätigkeiten vor. Da die alternierende TA derzeit am relevantesten ist, steht dieselbe im Mittelpunkt.
Aus der zunehmenden Dezentralisierung ergeben sich sowohl für TelearbeiterInnen als auch für Führungskräfte zahlreiche neue Anforderungen (Selbstmanagement als Voraussetzung zur Ausschöpfung der Flexibilitäts- und Selbstverwirklichungspotentiale). bei Nichtbewältigung sind vielfältige Probleme (Überforderung, soziale Isolierung) zu befürchten. Nur ein ziel- und ergebnisorientierter Führungsstil („Management by Objectives“) kann allerdings die notwendige Eigeninitiative und -verantwortung von TelearbeiterInnen stärken.

3. Wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und technischer Kontext der TA
Die aktuellen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und technischen Rahmenbedingungen (neue Flexibilitätsbedürfnisse der Märkte, gesellschaftliche Werte, permanent leistungsfähiger werdende IuK-Technologien) fördern die Diffusion von TA.

4. TA und Wettbewerbsfähigkeit
Die Chancen (z.B. Produktivitätssteigerungen, flexiblere Unternehmensstrukturen, flexiblere Personalwirtschaft, qualitativ bessere Arbeitsergebnisse) und Gefährdungspotentiale (z.B. Wertschöpfung, Unternehmenskultur: Informationsverluste und mangelnde Identifikationspotentiale) sind vielfältig. Der personale Flexibilitätsgewinn birgt die Gefahr des Verlustes an Sozialverträglichkeit (Auflösung des „Normalarbeitsverhältnisses“). Da aber TA wegen ihres Nutzens ein strategischer Wettbewerbsfaktor geworden ist, muß sie mittels Monitoring von den Unternehmen/öffentlichen Verwaltungen aufgegriffen werden.

5. TA und Impulse für den Arbeitsmarkt
Die Produktivitäts- und Effizienzsteigerungen können zwar aufgrund der Aufhebung der regionalen Begrenzung der Arbeitsmärkte (neue Konkurrenzstrukturen und weiter differenzierte Arbeitsteiligkeit) auch zu Rationalisierungen führen. Dennoch überwiegen positive Impulse für den Arbeitsmarkt. TA ist funktional für die Umwälzungen in der Arbeitswelt (Flexibilisierung der Arbeit/Auflösung des Normalarbeitsverhältnisses). Sandmann spricht sogar von einer Renaissance vorindustrieller Arbeitsformen (höhere Selbstbestimmtheit und neue Möglichkeiten zur Reintegration von Arbeit und Freizeit). TA wird wegen zahlreicher direkter und indirekter Arbeitsmarkteffekte und Beschäftigungsimpulse zu einem wichtigen Zukunftsfeld der (regionalen) Arbeitsmarktpolitik.

6. TA und Auswirkungen auf die Umwelt
Die raum- und umweltrelevanten Effekte der TA erscheinen noch diffus und spekulativ. Der Autor hält die Wahl zwischen Substitutionsthese (Einsparung), Induktionthese (Erhöhung durch vermehrte Freizeit), Verlagerungsthese (nachteilige Effekte durch Stadtflucht) und Kontraktionsthese (Verrringerung durch Einschränkung der Aktionsräume) für noch nicht entscheidbar.

7. Impulse für eine zukunftsfähige Regionalentwicklung durch TA?
Der Autor fordert auch die Einbeziehung von Gefährdungspotentialen der TA und plädiert für die Einleitung (regional-) politischer Maßnahmen zur Gestaltung einer zukunftsfähigen (Regional-) Entwicklung.

Teil B: Empirie / 8. TA in den US-amerikanischen Referenzregionen
Auf der Suche nach einer sinnvollen regionalen Telearbeitspolitik richtet Sandmann den Blick auf das Silicon Valley und Los Angeles. Er konstatiert dort widersprüchliche Entwicklungen: Beförderung der regionalwirtschaftlichen Entwicklung, Wettbewerbsvorteile, Überstrapazierung der Unternehmenskultur, neue Flexibilitätsspielräume, Externalisierung von Kosten auf Arbeitnehmer, unzureichende Vorbereitung von Mitarbeitern. Noch weitestgehend unklar sind die Auswirkungen auf die Umweltentwicklung und den Arbeitsmarkt.

9. TA in Deutschland und der Europäischen Union
In der EU und in Deutschland ist TA nicht so stark verbreitet wie in den USA. Daher bleiben die Auswirkungen auf die drei Elemente der Entwicklung – Wirtschaft, Umwelt, Mensch – (noch) marginal. Hohe Steigerungsraten, günstige Rahmenbedingungen und eine breite Akzeptanz in Deutschland fördern jedoch auch hierzulande mittelfristig einen starken Anstieg.

10. Vergleich zwischen den USA und Deutschland
Gänzlich unterschiedliche Rahmenbedingungen (Arbeitnehmerrechte, wirtschafts- und infrastrukturelle sowie mentale Unterschiede) führten dazu, daß sich TA in den USA schneller verbreitete. Der Autor warnt vor der unreflektierten Übernahme dortiger Telearbeitsstrategien in eine deutsche (Regional-)Politik.

Teil C: Handlungsempfehlungen / 11. Das Konzept der Lernenden Region
Sandmann schlägt vor, sich das Konzept der Lernenden Region nutzbar zu machen und damit die TA sowohl in einen regionalentwicklungstheoretischen als auch -strategischen Gesamtzusammenhang zu stellen. Als Telearbeits-Handlungsempfehlungen schlägt er neben dem Konzept der Lernenden Region eine Politik der Selbstregulation (aktives Netzwerkmanagement) sowie die Anwendung des perspektivischen Inkrementalismus (Strategie der kleinen oder locker koordinierten Schritte) als Planungsmodus vor. Dieses offene Planungsmodell erwies sich in Umbruchzeiten im Vergleich zu geschlossenen Planungsmodellen als geeigneter.

12. TA in der Lernenden Region: Handlungsempfehlungen
Eine regionale Telearbeitsstrategie muß die jeweils endogenen Bedingungen von Regionen (nämlich die in Abhängigkeit des Grades ihrer Integration und Vernetzung vorhandende Fähigkeit, Innovationen aufzugreifen und anzuwenden) berücksichtigen. Sandmanns Handlungsempfehlungen unterscheiden zwischen einem integrierten und desintegrierten territorialen Produktionssystem. Ein weiterer Schwerpunkt der Empfehlungen liegt bei den Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen, für Gewerkschaften, Umwelt- und Planungsbehörden sowie regionale Weiterbildungseinrichtungen. Eine Schlüsselstellung wird intermediären Organisationen zugesprochen, die die Rolle als Moderator zwischen Markt und Staat übernehmen können. Voraussetzung einer zukunftsfähigen Regionalentwicklung sind die Rahmenbedingungen. Das heißt: Beseitigung von Regelungslücken und Informationsdefiziten sowie spezielle Bildungsangebote.

24.07.2001; KS