Novozän: Das kommende Zeitalter der Hyperintelligenz

Novozän: Das kommende Zeitalter der Hyperintelligenz
James Lovelock, Mediziner, Geochemiker, Biophysiker und Literat prophezeit in seinem Buch „Novozän“ ein utopisches Zeitalter: Das Zeitalter der Hyperintelligenz. Hauptakteure bei der Bewältigung der Klimakatastrophe werden nicht Menschen, sondern hyperintelligente Cyborgs sein. Michael Mörike hat die spannende Hypothese unter die Lupe genommen.

Novozän, so nennt James Lovelock das kommende Zeitalter, in dem künstliche Lebewesen neben den Menschen die Erde bevölkern werden. Er wagt mit dieser Prophezeiung einen Blick in die ferne Zukunft. Uns Menschen sieht er an der Schwelle zu einem neuen Zeitalter, dem der Hyperintelligenz. Dazu hat er im hohen Alter von 99 Jahren ein Buch geschrieben, das 2020 im C.H.Beck-Verlag auf Deutsch übersetzt erschienen ist.

Wie bei allen solchen Prophezeiungen lese ich die Begründungen dafür immer mit großer Skepsis und suche mögliche Denkfehler, denen die Propheten unterliegen könnten. Sehr oft werde ich fündig und muss  dann schließen, dass die jeweilige Prophezeiung wenig Wahrscheinlichkeit für ihren Eintritt bietet. Auch diesmal konnte ich nicht umhin, das Buch aus solcher Perspektive heraus zu lesen.

Lovelock unterstellt in seinem Buch auch seine Gaia-Hypothese: Sie sieht die ganze Natur auf der Erde inklusive ihrer geologischen Beschaffenheit wie ein Lebewesen. Gewiss, Gaia kann sich – wie Viren – nicht fortpflanzen. Aber Gaia wehrt sich gegen steigende Temperaturen mit pflanzlichem Wachstum, das der Atmosphäre CO2 entzieht, in Form von Kohle, die in die Tiefe transportiert wird und damit zur Kühlung beiträgt. Und Gaia hat den Menschen einschließlich seiner Intelligenz hervorgebracht.

Dem Menschen wird es gelingen – so Lovelocks Prophezeiung – eine allgemeine künstliche Intelligenz zu erschaffen und sie in Maschinen einzubauen, die dann zusätzlich zu den Menschen die Erde bevölkern und deutlich intelligenter und schneller sein werden als die Menschen. Diese Cyborgs werden den Menschen als intelligentestes Wesen ablösen. Aber sie werden ihn nicht umbringen, denn sie brauchen ihn – so seine Vermutung. Denn auch die Cyborgs benötigen Gaia, die gekühlte Erde.

Bei der Vorstellung, wie sie entstehen werden, macht er vermutlich einen Denkfehler. Er meint, das könne so ähnlich geschehen, wie AlphaZero entstanden ist: Künstliche Intelligenz wird auf das Brettspiel GO angesetzt und lernt es ganz selbständig, einfach indem es gegen sich selbst spielt, ohne dass ihm irgendwelche Regeln vorgegeben werden. Das war aber bei AlphaZero so nicht. Auch bei AlphaZero musste der KI die Regel vorgegeben werden, wer gewonnen hat. Und damit hatte AlphaZero ein Ziel vorgegeben, nämlich gemäß dieser Regel zu gewinnen. Und wenn man KI künftig darauf ansetzt, eine allgemeine künstliche Intelligenz zu entwickeln, muss auch – mindestens – ein Ziel vorgegeben werden. Meine persönliche Vermutung: Es müssen sogar mehrere Ziele sein, die man dazu benötigt. Es ist wie bei der natürlichen Evolution: Den Lebewesen werden Ziele vorgegeben: Möglichst lange zu überleben und nicht nur als Individuum, sondern auch als Art. Also das weitere Ziel, Kinder und Enkel zu bekommen. Und noch ein Ziel, nämlich nicht nur Kinder in möglichst großer Zahl, sondern so, dass Enkel und Urenkel entstehen können. Also insgesamt jedenfalls mehrere Ziele.
Meine persönliche Vermutung: wenn wir genauer hinschauen kommen noch weitere Ziele hinzu.

Dies verhindert aber nicht, dass ich gerne glauben mag, dass Lovelock korrekt prophezeit, dass der Mensch durch intelligentere Wesen abgelöst werden wird. Wir sind eben nicht notwendig das Ende der Entwicklung.

Nebenher versucht er, das Fermi-Paradox zu lösen. Das ist für mich aber nicht überzeugend. Er beschreibt die Historie des Kosmos (Weltall) leider ziemlich anders, als es von der aktuellen Wissenschaft angenommen wird. Nach dem Urknall vermutet er mehrere Milliarden Jahre eine Art Konsolidierung, die es so gemäß aktueller Forschung nicht gegeben hat. Wir sehen bereits nach (relativ) wenigen Millionen Jahren die ersten Galaxien und die ersten Supernovae. Die Entwicklung von intelligentem Leben wäre durchaus schon viel früher möglich gewesen. Wenn wir heute einzigartig sind – was wir nicht wissen – dann jedenfalls nicht deshalb, weil der Kosmos so lange gebraucht hat, sich und uns zu entwickeln. Überhaut teile ich auch nicht seine Ansicht, der Kosmos hätte das Ziel, verstanden zu werden. Ich meine, der Kosmos hat gar kein Ziel. Und wenn wir Menschen und die uns nachfolgenden Cyborgs auch versuchen, den Kosmos zu verstehen, dann ist das m.E. ein ungeplanter Nebeneffekt unserer Existenz, aber auf jeden Fall nicht ein intrinsisches Ziel des Kosmos.

„Novozän-Das kommende Zeitalter der Hyperintelligenz“ ist ein kurzweiliges, lesenswertes Buch, findet Michael Mörike, Vorstand der Integrata-Stiftung.

Was halten Sie von dem Buch, bzw. den hier angerissenen Themen? Sie sind herzlich eingeladen, mit uns darüber in Diskussion zu treten. Wir freuen uns darauf.