Godehardt, Birgit / List H.-U. (Hrsg.): Vernetztes Arbeiten und Lernen

Godehardt, Birgit / List H.-U. (Hrsg.): Vernetztes Arbeiten und Lernen, Hüthig Verlag Heidelberg 1999. 250 Seiten.

Themen: Telearbeit, Telecenter, Telekooperation, Teleteaching.

Abstract
Anhand einer Erhebung wird von C. Klinge, J. Schuchardt, R. Bokai, R. Pollmann der Stand von Telearbeit, Telekooperation und Teleteaching in Nordrhein-Westfalen dargestellt.

Inhaltsverzeichnis
1 Vorwort
2 Einleitung
3 Untersuchungskonzeption
4 Telearbeit, Telekooperation und Teleteaching im Überblick
5 Meinungsbilder
6 Die Technik für Telearbeit, Telekooperation und Teleteaching
7 Rechtliche Aspekte der Telearbeit
8 Organisatorische Aspekte bei der Einführung
9 Handlungsempfehlungen
10 Schlussbetrachtung

Bewertung
Eine gediegene, an Neuem allerdings arme Studie.

Inhalt

Vorbemerkung: In der Studie erscheint, zumal von den Ergebnissen her, manches wieder, das in der breit angelegten Studie zur Telearbeit von Birgit Godehardt/1994 (vgl. Literaturbericht dazu) bereits gesagt ist; in anderem enthält die vorliegende Studie Ergänzungen. Sie wird hier im Verhältnis zu der zuvor genannten dargestellt.

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Im Vorwort wird mitgeteilt, dass die Ergebnisse des Buchs der in den Jahren 1996/97 durch geführten Studie Quatro (Qualifizierung, Arbeit, Technik, Reorganisation) entstammen, die vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen in Auftrag gegeben worden war.

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Einleitend wird der Auftrag des Ministeriums umrissen, der darin bestand, die Akzeptanz, den Bedarf und die Nachfrage nach Telearbeit, Telekooperation und Teleteaching empririsch zu erheben und ein Modell zur Qualifizierung von Telearbeitern zu entwickeln. Das Ziel der Darstellung in dem Buch, so die Autoren, ist, hierüber ein abgerundetes Bild zu geben (S. 10).

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Die Untersuchungskonzeption war so angelegt, dass 40 persönliche Interviews durchgeführt und 1000 Unternehmen in NRW für eine schriftliche Befragung angesprochen werden sollten, dass die Zwischenergebnisse der Auswertung in einem Workshop mit Experten diskutiert werden sollten und dass eine Konzeption für Qualifizierungsmaßnahmen von Telearbeitern aus-gearbeitet werden sollte. Der letztere Punkt sei im vorliegenden Abschlussbericht allerdings nicht enthalten (S. 13).

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Telearbeit wird, was ihre Geschichte und ihre Begrifflichkeit anlangt, wie bei Godehardt/1994 dargestellt; Neues enthält die Folgestudie im Hinblick auf die aktuellen Formen, in denen Telearbeit praktiziert wird. Während bei Godehardt/1994 alternierende Telearbeit (im Betrieb und außerhalb des Betriebs), isolierte Telearbeit (Teleheimarbeit), Arbeit im Satellitenbüro (ausgelagerte Büros) und Nachbarschaftsbüros (dezentrale Büros für mehrere Betriebe) unterschieden sind, werden in der Folgestudie darüber hinaus noch zwei weitere Formen beschrieben: Arbeit in Telecenters, die am Rande eines Ballungsraums Funktionen für ihn übernehmen — in Paris etwa sind für das Jahr 2000 vierzig solche Centers rund um den Innenstadtbereich geplant (S. 18) — und mobile Telearbeit, d.h. die räumlich am wenigsten gebundene Form der Telearbeit, die an wechselnden dezentralen Orten oder auch unterwegs stattfindet (S. 18 f).
Neu gegenüber Godehardt/94 sind auch die Ausführungen über Telekooperation. Sie bedeutet die (freiwillige) Zusammenarbeit von selbständigen Unternehmen in punkto Informationstechnologie zum Erreichen gemeinsamer Ziele. Diese Zusammenarbeit kann synchron („online“) oder asynchron, also ungleichzeitig, stattfinden. Ein Beispiel für die erstere Form ist das Desktop Conferencing (DTC), technisch möglich aufgrund des ISDN (S. 21 f).
Neu ist auch das Teleteaching. Die Autoren definieren diese noch sehr in den Anfängen stehende Art des Unterichtens als interaktiven Unterricht unter Bedingungen räumlicher Trennung und heben sie ab vom CBT (Computer Based Training). Als Möglichkeit des Teleteaching wird das virtuelle Klassenzimmer angesprochen, ‚in dem‘ den Unterrichteten über Projektionsleinwände Tutoren zugeschaltet sind (S. 23 f).

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Im Abschnitt „Meinungsbilder“ werden die Ergebnisse der schriftlichen Befragung, die eine Rücklaufquote von 23 % hatte, dargelegt.
Erfragt wurde der Dezentralisierungsgrad der Unternehmen mit dem Ergebnis, dass 75 % der befragten Unternehmen über dezentrale Außenstellen verfügten (S. 36).
Desweiteren wurde nach dem Planungs- und Realisierungsgrad von Telearbeit gefragt. Hier ergab sich, dass 22 % der befragten Unternehmen Telearbeit eingeführt hatten, wobei die alternierende Form stark überwog. Bei den Unternehmen, wo Telearbeit realisiert war, waren die mittleren gegenüber den kleinen Unternehmen stärker vertreten. Bei den Unternehmen, die Telearbeit einzuführen planten, insgesamt 8 %, waren umgekehrt die kleinen Unternehmen stärker vertreten als die mittleren (S. 39).
Bei der Frage nach den Gründen für die Einführung von Telearbeit, ergab sich ein ähnliches Bild wie bei Godehardt/94: Vereinbarkeit von Beruf und Familie (76 % der Nennungen) war der überwiegend angegebene Grund (S. 42).
Intensiver als bei Godehardt/94 wurde nach den Hemmungen, Telearbeit einzuführen, gefragt. Die Gefahr von sozialer Isolation und Probleme der Führung bzw. Kontrolle von Telearbeitern wurden am häufigsten angegeben. Das Profil der Telearbeit sieht bei verschiedenen Gruppen von Betriebszugehörigen im Großen und Ganzen ähnlich aus, mit einer deutlichen Einschränkung: die wirklichen oder vermeintlichen Probleme, die Telearbeit mit sich bringt, wurden von Betriebsräten stark herausgehoben. Daher ergab sich auch das Bild, dass von Betriebsräten Telearbeit relativ schlecht bewertet wurde, während die übrigen Mitarbeiter ein deutlich positiveres Bild hatten, ein noch etwas positiveres die mittleren Manager und das Positivste die Topmanager (S. 45 – 49).
Auf die Frage nach den wichtigsten Persönlichkeitsmerkmalen, die ein Telearbeiter mitbringen sollte, wurde (in dieser Reihenfolge der Wichtigkeit) geantwortet: Zuverlässigkeit, Eigenmotivation/Engagement, Fähigkeit zur selbständigen Arbeit (S. 57).
Unter ökonomischen Aspekten wurde nach den Kosten eines Telearbeitsplatzes im Verhältnis zu den Kosten eines Arbeitsplatzes im Betrieb gefragt. Die Hälfte der Befragten schätzten die Kosten für einen Telearbeitsplatz höher ein, was die Autoren — vermutlich auf dem Hintergrund von Godehardt/94, wo eine Ausgewogenheit der Kosten ermittelt wurde — als eine Fehleinschätzung einschätzen (S. 60).
Die verkehrspolitischen Auswirkungen von Telearbeit sahen die Befragten in erster Linie in der Verminderung des Berufspendelverkehrs, was 78 % der Befragten als wichtigste Auswirkung ansahen (S. 63).
Was die Telekooperation anlangt, so lagen die Einschätzungen insgesamt ähnlich wie bei der Telearbeit.
Als größter Vorteil (77 % der Nennungen) wurde die Einsparung von Reisezeit bzw. Reise-kosten angegeben (S. 65).
Als Nachteil wurden in erster Linie höhere Telekommunikationskosten genannt, ein Faktor, der sich allerdings im Abwärtstrend bewegt. Bemerkenswert ist noch, dass in Unternehmen, wo Telearbeit realisiert ist, Nachteile der Telekooperation als relativ unbedeutend angesehen werden (S. 75).
Hinsichtlich des Teleteaching gaben 12 % der Befragten an, dass es in ihrem Unternehmen eine Rolle spielt, bei mehr als der Hälfte von ihnen jedoch erst in der Vorplanungsphase (S. 75). Als Vorteil wird auch hier vor allem die Einsparung von Reisezeiten gesehen, als Nachteil der fehlende Erfahrungsaustausch mit anderen Teilnehmern (S. 77).
Als die für Teleteaching geeignetsten Schulungsinhalte werden eindeutig die sachbezogenen gesehen, wie z.B. betriebswirtschaftliche oder informationstechnische Kenntnisse; als sehr wenig geeignet sahen die Befragten Persönlichkeits- und Managementtraining (S. 80).
Als ein Hauptergebnis zu diesem Komplex resümieren die Autoren, dass Teleteaching nur dann akzeptiert wird, wenn die Verluste im Zwischenmenschlichen minimiert werden; diese Einschätzung steht auf dem Hintergrund, dass nur 7 % der befragten Mitarbeiter den Wunsch nach Teleteaching geäußert haben (S. 89).
Im Sinne einer Validierung wurden in einem Workshop einige der Ergebnisse Experten vorgelegt, insbesondere solche Ergebnisse, welche Vor- und Nachteile der jeweiligen Teleprozesse betreffen. Bei der Telearbeit wurde von der Expertenseite herausgestellt, dass hier die Akzeptanz beim mittleren Management vergleichsweise gering ausgeprägt ist. Dieses Problem wurde in der Weise verallgemeinert, dass Mitarbeiter, die auf ein schnelles feed back angewiesen sind, Schwierigkeiten mit Telearbeit haben. Im übrigen wurde von der Expertenseite — in Übereinstimmung mit Godehardt/94 — die Gefahr der sozialen Isolation bei der Telearbeit geringer eingeschätzt, als sie in den Ergebnissen der Untersuchung zum Ausdruck kommt (S. 96). Telekooperation, so wurde im Expertenworkshop betont, ist als Basis für virtuelle Unternehmen bedeutsam (S. 101). Zum Teleteaching wurde im workshop gesagt, dass es die Effizienz des Lernens fördere, dass es Arbeitslosen zur Verbesserung ihrer Vermittlungschancen dienen könne, und dass in ihm eine Gefahr der Arbeitsplatzvernichtung liege (S. 103 f).

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Im Abschnitt zur Technik für die diskutierten Teleprozessformen wird als Generaltrend angegeben, dass er zum multifunktionalen Endgerät geht (S. 116).
Ausführlich (S. 117 – 126) werden Telekooperationssysteme beschrieben. Hierzu gehören:
— Datenkonferenzsysteme, in denen räumlich getrennte Kooperanten gemeinsam eine Datei bearbeiten können;
— Videokonferenzsysteme, wo Partner einander sichtbar und hörbar sind;
— Desktop Conferencing Systeme, in denen komplexe Dokumente gemeinschaftlich bearbeitet werden können;
— Multipoint Conference Unit, von wo aus eine Videokonferenz gesteuert wird;
— Remote-Access-Systeme, die für dezentrales Arbeiten wichtigen Zugänge zu Zentraldateien
— Groupware, worunter verschiedenartige Lösungen zur IT-unterstützten Teamarbeit (z.B. workflow management) fallen.
Speziell dem Teleteaching dienen sogenannte Autorensysteme, die eine computergerechte Aufteilung von Lerninhalten anstreben, allerdings in ihrer Entwicklung sehr aufwendig sind (S. 126).
Desweiteren werden Kommunikationsinfrastrukturen beschrieben, bei denen das ISDN mit seinem doppelten Nutzungskanal besonders wichtig ist. Auch Mobilfunknetze, Satellitenkommunikation und (unternehmensinterne) Corporate Networks gehören zu solchen Infrastrukturen. Als Hochgeschwindigkeitstechnologie der Datenübertragung für die Zukunft gilt das „Asynchronous Transfer Mode“ oder ATM (S. 133).
Den Datennetzen ist (S. 136 – 142) ein eigenes Teilstück gewidmet, wobei Internet als Netz der Netze herausragende Bedeutung hat; 50 % der Netzverknotungen liegen in den USA, 25 % in Europa. Die Benutzer weltweit werden auf 30 Mio. geschätzt, mit einer derzeitigen monatlichen Zuwachsrate von etwa 10 % (S. 136). An bedeutenden Diensten werden im Internet geboten:
— E-mail;
— News, das sind Diskussionsforen;
— FTP (File Transfer Protocol), womit Dateien von Rechner zu Rechner übertragen werden;
— TELNET, ein interaktives Netz;
— WAIS (Wide Area Information Service), womit Datenbanken aus 500 sog. Wais-Bibliotheken abgefragt werden;
— X.500, ein Auskunftsystem zur Suche von Personen;
— WWW schließlich, das alle Dienste unter einer Benutzeroberfläche (dem www-browser) integriert.
Kurz eingegangen (S. 141 f) wird auch auf das Intranet, in dem die Internettechnologie kostengünstig und für bestimmte Unternehmen bedürfnisentsprechend ‚internalisiert‘ ist.
Für die Ausstattung von Telearbeitsplätzen, ebenso zum Zweck der Telekooperation und des Teleteachings, werden bereits Komplettsysteme angeboten bzw. entwickelt. Zum Beispiel besteht, was das Teleteaching angeht, zwischen den Universitäten Mannheim und Heidelberg Hörsaalverbindungen über Multimedia Workstations, die mit Video-Beamer, Dozenten- und Publikumkameras ausgerüstet sind (S. 144).

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Bei der Behandlung der rechtlichen Aspekte der Telearbeit wird im Ergebnis, dass nämlich Telearbeit in verschiedenen arbeitsrechtlichen Formen möglich ist, wiederum Ähnliches gesagt wie in Godehardt/94. Speziell bezüglich der Form des freien Mitarbeitervertrags ist die Beurteilung der Autoren etwas negativer, indem darauf hingewiesen wird, dass diese Vertragsform, die keine besondere Urlaubsregelung und keine Entgeltfortsetzung bei Krankheit vorsieht, bei Einrichtung von Telearbeit zuungunsten des Telearbeiters genutzt werden kann (S. 152). Darüber hinaus wird erklärt, dass Telearbeit mietrechtlich anerkannt ist, wenn der Hauptzweck einer gemieteten Wohnung das Wohnen bleibt (S. 154).
Wie in Godehardt/94 werden Beispiele von Betriebsvereinbarungen genannt, in der neueren Studie über zwanzig Seiten lang (S. 154 – 175). In der Regel wurde bei diesen Betriebs-vereinbarungen das bestehende arbeitsrechtliche Verhältnis aufrechterhalten; typisch ist auch die Klärung des Eigentums an den Arbeitsmitteln des Telearbeiters.

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Unter den organisatorischen Aspekten bei der Einführung von Telearbeit wiederholt sich erneut vieles von dem in Godehardt/94 Gesagten: wo prozessorientiert und in relativ autonomen Strukturen gedacht wird, sind die günstigsten Voraussetzungen für die Einführung von Telearbeit gegeben (S. 176 – 181).

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Handlungsempfehlungen:
Bezüglich der Telearbeit sei sinnvoll und sehr gewünscht, im Unternehmen eine zentrale Service-Stelle zur technischen Unterstützung von Telearbeitern einzurichten (S. 182).
Was Telekooperation angeht, sei als Voraussetzung ihrer Einführung die Tranzparenz der Unternehmensabläufe besonders wichtig (S. 185).
Und für die Weiterentwicklung des Teleteaching sei die Medienerziehung in der Schule wichtig.

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In der Schlussbetrachtung (S. 191 – 193) erklären die Autoren, dass in ihre Studie „aktuelle Ergebnisse und neue Erkenntnisse zu den Themenbereichen Telearbeit, Telekooperation und Teleteaching einfließen konnten.“

15.11.2001; MF