Dostal, Werner: Telearbeit in der Informationsgesellschaft – Zur Realisierung offener Arbeitsstrukturen in Betrieb und Gesellschaft

Dostal, Werner: Telearbeit in der Informationsgesellschaft. Zur Realisierung offener Arbeitsstrukturen in Betrieb und Gesellschaft, Göttingen 1999 (Schriftenreihe Psychologie für das Personalmanagement). 203 S. ISBN 3-8017-1192-7. 59,00 DM.

Themen: Akzeptanz, Arbeit und Freizeit, Psychologie, Erwerbsformen, Informatisierung, neue Selbständigkeit, Personalmanagement, Qualifizierung, Souveränität, Telearbeitsformen/Definition und Abgrenzung, Zeitsouveränität.

Abstract
Das Buch beschreibt und prognostiziert die Entwicklung von Telearbeit vor allem vor dem Hintergrund der Veränderung der Erwerbsarbeit. Insbesondere die neue Selbständigkeit steht im Mittelpunkt des Interesses.

Inhaltsverzeichnis
1. Einleitender Überblick
2. Die Informatisierung
3. Die Öffnung der Erwerbsarbeit
4. Das Phänomen Telearbeit
5. Einordnung der Telearbeit in überkommene Arbeitsstrukturen
6. Akzeptanz der Telearbeit und ihre Bewertung
7. Zukunft der Telearbeit

Bewertung
Ein nüchternes soziologisches Buch aus einem psychologischen Verlag. Nützlich für diejenigen, die an der Analyse der Rahmenbedingungen der Durchsetzung von Telearbeit und auch an Voraussagen interessiert sind.

Inhalt

1. Einleitender Überblick
Laut Dostal konzentrieren sich in der Telearbeit (TA) die Fragen nach der Zukunft der Arbeit: „Die Potentiale dieser Arbeitsform sind erheblich, die reale Praxis dürftig“ (S.5). Er will verdeutlichen, daß die Probleme nicht in der zeitweisen Teleheimarbeit der Stammbelegschaften und auch nicht in der Nutzung der Telekommunikation bei den ‚echten‘ Selbstständigen liegen, sondern bei den ’neuen‘ Selbständigen, die hoffen, hierüber eine Beschäftigungsperspektive zu gewinnen. Er wünscht, daß deren Risiken durch „Leitplanken“ eingegrenzt werden, daß zugleich aber ihre Inititativen nicht durch rigide Einschränkungen verhindert werden, da sich das überkommene abhängige Arbeitsverhältnis nicht für die „echte TA“ eignet (S.6).

2. Die Informatisierung
Einleitend umreißt Dostal die gesellschaftliche Informatisierung und ihre Bedeutung für die TA (vgl. demgegenüber Boes 1999). Die Technik befindet sich in einem leistungsfähigen Stadium, neue Berufe sind entstanden und etwa die Hälfte der Erwerbstätigen in Deutschland sind überwiegend in Informationsaufgaben tätig. Obwohl die Infrastruktur vergleichbar günstig ist, hat sich die TA hierzulande gegenüber USA oder Großbritannien am zögerlichsten entwickelt.

3. Die Öffnung der Erwerbsarbeit
Dostal beschreibt die Öffnungstendenzen in der Erwerbsarbeit, die sich in der Aufweichung des überkommenen Normalarbeitsverhältnisses sowie im Aufkommen von Sonderformen (geringfügige Beschäftigung, Arbeitnehmerüberlassung, befristete Beschäftigung, Zweit- und weitere Jobs, neue Selbständige, Schattenwirtschaft) ausdrücken. Diese Sonderformen weisen ein erstaunliches Entwicklungspotential auf. Diese Entwicklung erfolgt vor dem Hintergrund von Verschiebungen im Arbeitskräftepotential (Alterung der Erwerbsgesellschaft, Frauenerwerbstätigkeit, Höherqualifizierung, Abnahme der Erwerbszentrierung). Alternative Formen werden relevanter, wenn auch das Normalarbeitsverhältnis heute noch die Norm darstellt. In einer Situation der von Unternehmerseite forcierten Ausbreitung offener Arbeitsformen und dem Rückgang der Arbeitszentrierung kann TA Auslöser und gleichzeitig Modell sein, Deregulierung und Flexibilisierung umzusetzen.

4. Das Phänomen TA
Die Darstellung des Phänomens TA verweist darauf, daß es keine abschließende und allgemeingültige Definition für TA gibt und es dieselbe derzeit auch nicht geben kann. Dostal konstatiert eine euphorische Zwischenphase. Allerdings verändern sich auch je nach Definition die Zahlen hinsichtlich der Verbreitung.

5. Einordnung der TA in überkommene Arbeitsstrukturen
Die Einordnung der TA in überkommene Arbeitsstrukturen ist eine der wesentlichen Erfolgsbedingungen für Unternehmen wie TelearbeiterInnen. Zu diesen Bedingungen gehören die Aufgabenabgrenzung, die Arbeitsteiligkeit, der spezifische Qualifikationsbedarf, die Arbeitszeitmuster und die -allokation, das Telemanagement, Vergütungsfragen und Statusverschiebungen. Die organisatorische Einordnung ist zwar schwierig, aber nicht unlösbar. Als größte Stolpersteine erweisen sich die rechtlichen Rahmenbedingungen.
TA ist kein einheitliches Modell. Die vier Kernmodelle (außerbetriebliche Arbeitsstätten, selbständige TA, TA als Heimarbeit und Arbeit in Telehäusern) haben jeweils einen eigenen Beschäftigungsstatus und unterscheiden sich grundlegend. Insofern ist auch eine differenzierte Betrachtung und Bewertung der jeweiligen Rahmenbedingungen und Begleiterscheinungen erforderlich. Sonderformen wie die Außerbetrieblichen Arbeitsstätten und Telehäuser sind eine Folge der Einpassung von TA in traditionelle Arbeitsmuster.
So zeigten sich zunächst gewisse innovative Aspekte, doch sei man bald darauf wieder in traditionelle Strukturen der Arbeitsformen zurückgefallen. Dostal hält es daher für übertrieben angesichts der erhöhten Souveränität (Arbeitszeit/Arbeitsort) der Beschäftigten gleich von einer neuen Arbeitsform zu sprechen. Die besondere Brisanz von TA sieht er vor allem darin, daß selbständige Arbeit an Bedeutung gewinnt und sich im gesamten Erwerbssystem nach unten verbreitert. Zugleich entstehen virtuelle Unternehmen, die nur noch die Arbeit von Selbständigen moderieren, aber die überkommenen Fürsorgepflichten nicht mehr übernehmen. Dabei entsteht in bestimmten Fällen eine Schutzwürdigkeit, die im traditionellen Sicherungssystem nicht mehr abgedeckt ist.

6. Akzeptanz der TA und ihre Bewertung
Die Einschätzungen von TA bleiben kontrovers und verfolgen unterschiedliche Ziele. Es zeichnet sich zwar eine Annäherung der Positionen ab, doch hängt die Akzeptanz von der realisierten Organisationsform ab. Eine hohe Akzeptanz finden die Außerbetrieblichen Arbeitstätten, weil sie von traditionellen Arbeits- und Organisationsformen nur wenig entfernt sind. Dostal vertritt die Einschätzung, daß allein die freiberufliche TA Zukunft haben wird. TA wird in die Bereiche der Höherqualifizierten auswandern, während einfache Tätigkeiten mit ausreichendem Arbeitskräfteangebot wieder traditionell betriebsgebunden erfolgen werden. Für die soziale Absicherung der selbständigen TelearbeiterInnen bedarf es neuer sozialer Sicherungssysteme, für die es aber schon Vorbilder gibt. Da sich abzeichnet, daß auch in anderen betriebsgebundenen Arbeitsverhältnissen die Norm eines lebenslangen sozial abgesicherten Arbeitsplatzes verlorengeht, wird sie auch bei der TA ihre Bedeutung verlieren.

7. Zukunft der TA
Im letzten Kapitel umreißt Dostal die Zukunft der TA. Er benennt hier die verschiedenen Entwicklungsbarrieren: Unschärfe und Instabilität, d.h. Variationsbreite und Vermischung klassischer Tätigkeitsformen, rechtliche Unsicherheit, kontroverse Bewertungen und Instabilität zum einen; falsche Vorstellungen bei den Akteuren sowie die Veränderung des Umfeldes zum anderen.
Während der Autor für die TA von Kernbelegschaften im Rahmen von Außerbetrieblichen Arbeitsstätten, von Selbständigen und Freiberuflern im „oberen“ Segement, bei den subventionierten Telehäusern für abhängig Beschäftigte keine Hilfe als erforderlich ansieht, ist die Lage der „unteren“ Selbständigen kritisch. Hier fordert er „Leitplanken“, die diesen, mit geringer Verhandlungsmacht ausgestatteten Akteuren, eine gewisse soziale Sicherheit garantieren. Nur bei dieser Gruppe ist TA eine wirklich neue Arbeitsform. Die anderen Modelle bezeichnet er als „Soft-Telearbeit“. Sie weisen keine besonderen Auswirkungen oder Regelungsbedarf auf, haben allerdings auch keine Zukunft, weil sie Übergangsregelungen darstellen.
Für Dostal begleitet TA nicht nur den Prozeß der Öffnung der Erwerbsformen, sondern ist zugleich ein Instrument für die Integration von Leben und Arbeiten. TA ist für den Verfasser ein Instrument zur Stabilisierung individueller Beschäftigung bei instabiler Umgebung. TA ist Teil eines umfassenderen Prozesses, in dem immer mehr erwerbsähnliche Aktivitäten außerhalb der Erwerbsarbeit und ein immer größeres Arbeitsvolumen in informellen Strukturen feststellbar sind und der zunehmend das herkömmliche Arbeitsverständnis in Frage stellt. Damit einher geht eine Entwicklung, bei die Unterscheidung von Erwerbs- und Privatsphäre unschärfer wird. TA unterscheidet sich dann möglicherweise kaum mehr von anderen privaten Aktivitäten. Dostal verortet die TA als Teil der „New-Work“-Strategie und verweist auf die Schwierigkeit, die weitere Entwicklung abzusehen. Er prognostiziert jedoch eine wachsende Selbständigkeit und Verantwortung der Menschen, die sie doppelt frei macht (im Sinne von Gestaltung und von Sicherheit). TA selbst wird dann als solche nicht mehr wahrgenommen, weil sie so selbstverständlich sein wird, daß Arbeitstätigkeit darüber nicht mehr definierbar ist. Als einschneidendsten Aspekt sieht der Verfasser den Statuswandel von der abhängigen Beschäftigung zur Selbständigkeit, bei dem nun wieder eher vorindustrielle Strukturen gegenüber großbetrieblichen Industriestrukturen die Risiken des Lebens absichern werden.

10.02.2001; KS